Engelssturz - Zahn, T: Engelssturz - Angelmass
nicht meine Schuld, wenn er so hilfsbereit ist.«
»Ja, so ist er eben«, murmelte Ornina.
Chandris biss die Zähne zusammen; aber sie hatten beide Recht. Auch wenn sie es noch so gern getan hätte – dafür konnte sie Kosta wirklich keine Schuld geben. »Beim nächsten Mal achtest du aber darauf, ob er nicht schon mit etwas anderem beschäftigt ist, klar?«, sagte sie knurrend.
»Falls es ein Trost für dich ist, es wird wahrscheinlich kein nächstes Mal mehr geben«, erinnerte er sie steif. »Wenn wir nach Seraph zurückkehren, müsste man mir die Kreditlinie schon wieder eingeräumt haben, und dann können wir getrennte Wege gehen.«
»Gut«, murmelte Chandris. Sie warf einen Blick auf Ornina und sah dann noch einmal genauer hin. Die ältere Frau sah unverwandt auf ihre Displays, und ein leichtes, aber unverkennbares Lächeln spielte um ihre Lippen. »Was ist?«, wollte Chandris wissen.
»Nichts«, sagte Ornina, und das Lächeln wich dem gleichen unschuldigen Blick, den Hanan immer aufsetzte, wenn er sich anschickte, die Pointe zu einem seiner Witze zu bringen. »Ich muss schon sagen, Jereko, dass deine Arbeit faszinierend klingt. Welchem genauen Zweck dient dieses Experiment denn?«
»Ich will einige schmale Bandbreiten des Strahlungsspektrums von Angelmass analysieren«, erklärte Kosta ihr. »Ich erhoffe mir Aufschluss darüber, weshalb die Engel-Emission in den letzten paar Monaten zugenommen hat.«
»Sie hat zugenommen?«, fragte Ornina mit einem Stirnrunzeln.
»Das geht jedenfalls aus meinen Zahlen hervor«, sagte Kosta. »Aus euren übrigens auch.« Er sah Chandris an. »Hat Chandris euch denn nichts gesagt?«
Ornina sah Chandris nun auch fragend an. »Es erschien mir nicht so wichtig«, sagte Chandris mit einem Achselzucken.
»Ist es wahrscheinlich auch nicht«, pflichtete Ornina ihr bei. »Trotzdem weiß man auch bei scheinbar unwichtigen Dingen nie, was sich vielleicht noch daraus entwickelt.« Sie wandte sich wieder an Kosta. »Aber genug davon. Erzähl uns doch mal etwas über dich, Jereko.«
Kosta holte tief Luft, und Chandris drehte sich wieder zu ihrer Konsole um, wobei sie sich ein sparsames Lächeln gestattete. Die gleiche Geschichte, die sie unten schon mit Kosta abgehandelt hatte – eine Geschichte, die sie inzwischen auswendig kannte. Das versprach noch sehr interessant zu werden, sagte sie sich.
Das wurde es auch – aber anders, als sie es sich vorgestellt hätte. Kostas Schilderung enthielt keine Widersprüche zu dem, was er ihr gesagt hatte, und er irrte sich auch nicht bezüglich historischer Ereignisse oder der Details der Orte, an denen er gelebt haben wollte. Er artikulierte sich gut, war präzise genug und anscheinend auch aufrichtig genug, um der ganzen Sache einen Anschein von Wahrheit zu verleihen.
Nur, dass es nicht die Wahrheit war.
Es gab viele Punkte, an denen sie hätte ansetzen können – zumindest bei jemandem, der mit der Materie vertraut war. Ein paar blumige Phrasen, die so klangen, als seien sie einem Reiseführer für Balmoral entlehnt; gelegentlich ein exaktes Zitat aus ihrer Unterhaltung unten, wobei sie aus Erfahrung wusste, dass eine solche Übereinstimmung ausgesprochen selten war; und es lag eine Präzision in seiner Stimme, die darauf hindeutete, dass er jedes einzelne Wort mit Bedacht äußerte. Er spielte definitiv Theater. Detailliert und gut geprobt, aber eben nur Theater.
Zugleich fehlte aber auch etwas – etwas, das jeder Hochstapler, der eine so gute Tarnung aufgebaut hatte, eigentlich hätte berücksichtigen müssen. Vielleicht eine gewisse Verwegenheit oder auch die schmierige Arroganz der ausgebufften Gano ven, die sie im Barrio kennengelernt hatte. Kosta wirkte jedoch eher wie ein Schauspieler, der seinen Text einfach nur vom Blatt ablas.
Das machte Kosta zu einem … Was?
Chandris wusste es immer noch nicht. Aber sie würde es herausfinden.
Also saß sie einfach an ihrer Konsole, lauschte jedem Wort, das er sagte, und ließ die Gazelle mehr oder weniger selbstständig nach Angelmass finden.
Und weil sie voll auf Kosta konzentriert war, entging ihr auch das erste subtile Anzeichen für das sich anbahnende Desaster.
»… Und so hat, zu meinem gelinden Erstaunen, das Institut meine Bewerbung akzeptiert«, schloss Kosta. »Und ich habe ihnen auch keine Zeit gelassen, es sich noch einmal anders zu überlegen. Ich habe eine Passage auf einem Passagierschiff gebucht und …« Er zuckte die Achseln. »… da bin ich also.«
»Ja, da
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