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Engpass

Engpass

Titel: Engpass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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Wir nennen sie den ›Bunker‹. Weil der alte Maihauser früher seine Silke da gebunkert hat.« Das Mädchen kichert.
    »Ja, toll, crazy«, erwidert Anna und verdreht die Augen.
    »Der Bunker ist oben, am Hang. Da wohnt der Toni. Mit seiner Mutter und dem Stiefvater.«
    »Danke, war ne reife Leistung von dir.« Anna hebt den Siegerdaumen und ist schon dahin.

     
    Ohne zu fragen, hat sie sich das Rad der Nachbarn ausgeborgt. Wieder einmal. Damit ist sie der Strecke nach Marquartstein auf den Leib gerückt. Im Ort angekommen, haben ihr zwei Passanten unter einer Straßenlaterne bestätigt, was ihr Blick ihr längst klargemacht hat. Das imposante Bauwerk mit der riesigen Mauer drum herum, im Dunkeln noch auffälliger aufgrund der vielen Lichter, das ist es.
    »Die sind ja echt zugeschüttet mit Kohle«, seufzt Anna, eine Spur beeindruckt.
    In etwa so hat sie es sich aufgrund der Erzählung des Mädchens in der Videothek vorgestellt. Dass Dino alias Anton beziehungsweise Toni hier wohnt, hätte sie ihm nicht zugetraut. Irgendwie sieht er so aus, als würde er nirgendwo wohnen.
    Ach, shit, ärgert sich Anna. Sie hasst Menschen mit Vorurteilen. Dass ausgerechnet sie auf so was reinfällt, stößt ihr unangenehm auf. Daran muss sie arbeiten.
    ›Es ist das Vorrecht der Jugend, großzügig zu sein‹, hat ihr Vater immer gesagt. Dafür liebt sie ihn. Den Satz findet sie echt genial. Einfach entwaffnend. Genauso will sie sein. Wie schwer das ist, merkt sie gerade.
    Sie hievt ihr Hintereil auf den Sattel und tritt kräftig in die Pedale. Das letzte Stück den Hang hinauf schiebt sie. Vor dem Bunker angekommen, ist sie außer Atem. Sie rastet eine Weile. Völlig aufgelöst will sie Dino nicht gegenübertreten. Das Läuten geschieht wie von selbst. Die Überwachungskamera nimmt sie unbarmherzig in Empfang.
    »Hallo, Schnuckelchen! Keine Angst, im Einbrechen bin ich miserabel. Ich biete auch keine Kosmetik an der Tür an. Und der Verdacht, ich könnte von den Zeugen Jehovas sein, ist leider auch Fehlanzeige. Nix mit Glauben und so.« Anna zeigt der Kamera die Zunge.
    Es dauert nicht lange, dann hört sie ein leises Klacken, das vom automatischen Öffnen des Tores herrührt. Sie passiert die Eingangspforte und steuert die Haustür an. Das Rad hat sie achtlos an die Mauer gelehnt.

     
    Im viel zu warmen Flur der feudalen Villa sieht sie sich dem breit grinsenden Gesicht Dinos gegenüber.
    »Hey, so was nenn ich echt voll drauf. Was treibt dich hierher?«, will Annas Neueroberung wissen.
    »Sind deine Eltern in der Nähe?« Anna schaut sich automatisch um.
    »Keine Ahnung.« Dino grinst noch immer. »Spielt das eine Rolle?«
    »Wir brauchen einen Wagen. Meine Mutter ist nämlich verschwunden.«
    »Heilige Scheiße! Das klingt übel.« Dino ruft laut in die Tiefe des Hauses hinein. Als keine Antwort kommt, zuckt er mit den Achseln. »Das ist schon mal negativ«, meint er.
    Anna will keine Zeit verlieren. »Kennst du die Telefonnummer von Degi?«
    »Degi?« Dino scheint absolut nichts zu verstehen.
    »Der ist nicht mit dir verwandt. Namenstechnisch, meine ich.« Anna seufzt. »Die Rede ist von Karl Degenwald. Von der Mordkommission in Traunstein. Soviel ich weiß, wohnt er bei uns um die Ecke. In Unterwössen.«
    Dino nickt und geht voraus, tiefer ins Herz des Hauses. »Wenn der keine Geheimnummer hat, dürfte das kein Problem sein. Lass mich nur machen.«
    Anna seufzt erleichtert. Genauso jemanden wie Dino hat sie gebraucht. Einen Typen, der ihr das Entscheidende abnimmt. Solange, bis sie wieder klar denken und selbst entscheiden kann, was als Nächstes zu tun ist. Und der keine Gegenleistung dafür erwartet.

     
    20 Minuten später steht sie vor Degenwalds Haus. Dino zahlt das Taxi und kommt an ihre Seite. »Jetzt klingel schon. Ist doch Licht an«, drängelt er.
    »Mach ich ja.« Anna schüttelt den Kopf und läutet an. Nach wenigen Atemzügen wird oben ein Fenster geöffnet. Degenwalds Kopf lugt nach unten.
    »Hallo, ich bin’s, die Anna. Kennen Sie mich noch?«
    Degenwald lächelt zustimmend. »Könnte ich dich vergessen?«
    »Schwierig. Ich hinterlasse meist einen bleibenden Eindruck.« Anna grinst geschmeichelt.
    »Wartet, ich komme runter.« Degenwald will schon das Fenster schließen.
    »Bringen Sie Ihren Autoschlüssel mit. Meine Mutter ist abgängig. Sie müssen uns suchen helfen.«
    Unten, an der Tür, schüttelt Degenwald den Kopf. »Ist das erste Mal, dass eine Tochter die Mutter vermisst meldet.«
    »Glaub ich

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