Entbrannt
mit einer entschuldigenden Handbewegung weiterging. Sie dachte wohl, ich würde gleich Ärger bekommen.
Wahrscheinlich hatte sie recht.
Ich warf mir die Trainingstasche über die Schulter und folgte Rania ins Nebenzimmer. Der Raum lag in gedämpftem Licht, auf dunklen Holzregalen standen mehrere goldene Artefakte. Tatsächlich stand das Zimmer im Widerspruch zu dem hellen, modernen Ambiente der übrigen Akademie-Gebäude. Rania setzte sich hinter einen riesigen Mahagonischreibtisch.
Sie bedeutete mir, mich zu setzen.
»I ch lebe gerade Vollzeit hier. Da brauche ich zumindest einen Platz, an dem ich ganz ich selbst sein kann«, sagte sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
Ich legte mir die Tasche auf den Schoß und stützte mich darauf. Ich hatte stundenlang trainiert. Mein ganzer Körper schmerzte.
»H ast du meine Notiz erhalten?«, fragte sie.
»J a, danke. Ich… Ähm…« Ich wusste nicht, wie ich mit ihr– oder sonst jemandem– über Nyla reden sollte.
Sie schüttelte wieder den Kopf, als wüsste sie genau, was ich dachte. »L ass dir Zeit. Sie geht so schnell nirgendwohin, aber ich glaube, es besteht noch Hoffnung. Wenn ich das nicht glauben würde«, sie warf mir wieder einen Blick aus ihren kriegerischen Augen zu, »d ann würde ich die Sache selbst beenden.«
Ich bewunderte ihren Optimismus, aber… ich war dabei, als Nylas Seele zerbrach. Sie würde nicht zurückkommen.
Rania sprach weiter. »I ch wollte dich fragen, ob du über mein Angebot, deine Mentorin zu sein, nachgedacht hast?«
Ich hatte gestern Abend mit Griffin darüber diskutiert und wir waren übereingekommen, dass das sehr großzügig von Rania war und ich mir diese Chance nicht entgehen lassen sollte, aber nach dem Unterricht, den ich gerade hinter mich gebracht hatte…
»I ch scheine nicht nach den Akademie-Standards zu kämpfen. Und ich habe auch nicht vor, das zu ändern.«
Sie zog eine Augenbraue nach oben.
Raffiniert.
»H at sich Seth etwa an das Akademie-Protokoll gehalten, als er gestern deinen Partner erledigt hat?«
»N ein.«
»I ch nehme an, Nyla und Rudyard haben auch mit dir trainiert, als sie bei euch waren, oder?«
Ich nickte und erinnerte mich daran, was für eine starke Kämpferin Nyla gewesen war.
»E ben. Bei Valerie dreht sich alles um Gesetze und Regeln. Das muss so sein, damit sie die Akademie wirksam leiten kann, aber versteh das nicht falsch– wenn du vor einem Raum voller älterer Grigori und Ratsmitgliedern deine Abschlussprüfung ablegst, dann zählt nur eins.«
»W as?«
»D ass du gewinnst.«
Ich rutschte auf meinem Stuhl herum. »U nd du kannst mir helfen, das zu erreichen?«
»J a.«
Ich musste ihr Selbstvertrauen einfach bewundern angesichts der Tatsache, dass wir beide wussten, dass eine ganze Reihe von Grigori, darunter Drenson und Josephine, nichts lieber wollten, als mich ein für alle Mal aus der Akademie zu werfen.
»A lso gut. Wann fangen wir an?«
»M orgen. Wir trainieren jeden Tag vor deinem Unterricht und direkt danach. Komm vorbereitet– ich habe vor, hart mit dir zu arbeiten.«
Ich war so froh gewesen, eine Verbündete als Mentorin zu haben, dass mir wohl entgangen war, dass Rania mir den Teil mit der harten Arbeit erklärt hatte.
Zwei Wochen, nachdem wir mit unserem Programm begonnen hatten, fühlte ich mich wie eine lebende Tote. Vom ersten Tag unseres Training holte sie mich um fünf Uhr morgens ab und brachte mich erst wieder gegen acht Uhr abends, nach unserer abendlichen Trainingsstunde, zu meinem Zimmer zurück.
Wegen meines heftigen Stundenplans sah ich Spence und Zoe nur im Unterricht. Und aufgrund der Tatsache, dass mir mehr als nur ein Augenpaar ständig auf die Finger schaute, hätte ich Lincoln gar nicht mehr gesehen, wenn er sich nicht angewöhnt hätte, mir abends heimlich etwas zu essen aufs Zimmer zu schmuggeln. Gegessen hätte ich sonst auch nichts mehr.
Glücklicherweise wussten wir beide, dass es keine gute Idee war, zu lange getrennt voneinander zu sein. Irgendwie schienen wir eine Art Kompromiss für unsere Seelen gefunden zu haben. Es war nicht perfekt, und auch wenn der körperliche Schmerz– ganz zu schweigen von der seelischen Pein– immer konstant war, egal ob wir voneinander getrennt oder zusammen waren, so intensivierte er sich doch immer in längeren Zeiten der Trennung.
Deshalb mein abendlicher Zimmerservice.
»I ch werde mit ihr reden«, sagte er, während wir auf dem Boden saßen und kalte Pasta aßen. Na ja, Lincoln aß
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