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Entbrannt

Entbrannt

Titel: Entbrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Shirvington
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vor uns. Die Hauptstraße– eigentlich die einzige Straße– war wie ausgestorben, und wir wussten, dass es noch ein paar Stunden dauern würde, bis die ersten Läden öffneten. Wir überlegten, ob wir versuchen sollten, Evelyns sicheres Haus zu finden, aber wir hatten Anweisung, nach Cold Springs und dann in den dortigen Gemischtwarenladen zu gehen.
    Wir parkten in einer engen Seitenstraße und versuchten, uns auszuruhen, aber trotz unseres Schlafmangels, konnte sich keiner von uns entspannen. Am Ende beschlossen wir, am Fluss entlangzuspazieren, am Himmel wurde es langsam heller und die Sonne ging auf.
    »S chön hier«, sagte ich und betrachtete die malerische Landschaft. Cold Springs lag mit seinen Fußgängerwegen und den mit Schindeln bedeckten Wohnhäusern direkt am Fluss, auf dem kleine Boote schaukelten. Auf der anderen Seite des Flusses waren nur Bäume und Sträucher zu erkennen. Die Aussicht war so natürlich– unbefleckt von menschlicher Zivilisation.
    »S tädtchen wie dieses gibt es überall am Hudson«, sagte Lincoln, in seiner Stimme lag eine Ruhe, die unsere Umgebung widerspiegelte. »I ch habe früher wann immer ich konnte versucht, von der Akademie wegzukommen, um die Gegend zu erkunden. Hierher habe ich es nie geschafft, aber ich glaube, der Ort ist berühmt für seine Antiquitäten.«
    Durch eine Unterführung an der Bahnlinie gingen wir ins Zentrum des Ortes.
    »D as glaube ich gern«, sagte ich, als ich die vielen kuriosen Geschäfte sah, die die Straße säumten.
    »S ieh mal«, sagte Lincoln und zeigte über die Straße auf ein beleuchtetes Fenster, über dem zarte Rauchschwaden durch eine Öffnung nach draußen wehten. »R iechst du das?«
    Ich holte tief Luft und hätte fast aufgeseufzt. »F risches Brot.«
    Er grinste. »J a.«
    Wir gingen hinüber zu der Bäckerei und drückten unsere Gesichter an die Fensterscheibe, bis der kleine Mann, der gerade das erste Brot des Tages aus dem Ofen zog, auf uns aufmerksam wurde.
    »A uf der Durchreise?«, bellte er mit tiefer Stimme, die viel zu mächtig für seine Größe schien.
    Wir nickten. »W äre es wohl möglich, bei Ihnen Brot zu kaufen?«, fragte Lincoln.
    Ein paar Minuten später kamen wir mit einer Tüte voll Brötchen heraus, einem Sauerteigbrot und zwei Scheiben noch warmem Kürbisbrot, die uns aus dem Mund hingen.
    Köstlich!
    Als wir in der Bäckerei waren, hatten wir den Bäcker gefragt, ob er wusste, wann der Gemischtwarenladen aufmachte. Er meinte, dass wir noch eine Stunde würden warten müssen, und sah uns belustigt an. Dann sagte er uns, dass es die Besitzerin, Merri, nicht so gut aufnehmen würde, wenn wir an ihren Fenstern klebten.
    Aber wir hatten die Nase voll vom Warten und gingen trotzdem zu dem Geschäft und klopften an die verwitterte grüne Tür, dass die eingesetzten Glasscheiben rasselten.
    Oben ging in einem der Fenster Licht an und wir hörten jemanden rumoren. Schritte waren zu hören, die sich schließlich der Eingangstür näherten. Lincoln legte die Hand auf meinen Arm, als wollte er mich hinter sich schieben. Ich warf ihm einen schneidenden Blick zu. Er ließ seine Hand herunterfallen.
    Das will ich aber auch meinen.
    »D u weißt schon, dass du sehr schwierig sein kannst«, flüsterte er.
    »J a«, erwiderte ich und klimperte mit den Wimpern, womit ich ihn zum Lachen brachte.
    Eine schlanke Frau machte die Tür auf. Ihr graues, drahtiges Haar war zu einem unordentlichen Dutt aufgetürmt, sie hatte einen alten gelben Morgenrock um sich herumgewickelt und starrte uns mit einem scharfen, finsteren Blick an.
    »W ir machen erst in einer Stunde auf«, sagte sie und zeigte auf das Schild mit den Öffnungszeiten.
    »E ntschuldigen Sie bitte die Störung…«, begann ich. Doch noch während ich diese Worte sagte, richtete sie sich auf, und ihre Augen wurden schmal.
    »D u siehst jemandem, den ich kenne, wahnsinnig ähnlich.« Sie musterte mich noch einen Moment lang mit misstrauischem Gesicht.
    »I ch heiße Violet. Sind Sie Merri?«
    Die Frau musste husten, als sie nickte, ein trockenes, unangenehmes Geräusch.
    »I ch glaube, Sie kannten meine Mutter, Evelyn.«
    Sie betrachtete uns noch einen Augenblick forschend, starrte zuerst Lincoln an, dann mich. Sie schüttelte den Kopf und öffnete die Tür für uns. »K ommt besser rein.«
    Wir folgten ihr die Stufen hinauf in eine kleine Kochnische, wo sie ihren Morgenrock auf einen Stuhl fallen ließ. Wie sich herausstellte, war sie darunter mit einer braunen Hose und

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