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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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leise regte, gewiss üppig weiter gediehen sein. Sie kam, als ob sie darauf gewartet hätte, gleich neben dem zur Seite tretenden Diener, in leichtem Schritt, fast sportlich leicht, herein. Und ohne Lorgnon!
    „ Tess? Sie sind’s – nein sagen wir doch du?“
    Strahlend über diesen so unerwartet natürlichen, fast kameradschaftlichen Empfang, vergaß Tess ganz die formelle Begrüßung, die sie sich vorgenommen hatte, und trat leicht und sicher, als etwas zivilisierter, etwas durchgeistigter, aber noch immer herzerfrischend naiver Wildfang und sportlicher Mensch auf. Der Eindruck, den sie damit auf die Majorin und geborene Gräfin von Fürstenberg machte, schien nicht unvorteilhaft zu sein, die Blicke der in Kleidung und äußerer Haltung sehr vornehmen Dame glitten unverkennbar wohlgefällig und fast bewundernd an ihr auf und nieder.
    Tess , an Bewunderung reichlich gewöhnt, achtete darauf nicht mehr, als dass sie’s eben feststellte, und benutzte die Augenblicke, auch ihrerseits ganz ungeniert zu beobachten und sich Gedanken darüber zu machen. Sehr gewandt war diese Dame, die von jetzt ab in ihrem Leben eine Rolle spielen würde, aber in ganz anderer Weise gewandt, als sie sich’s gedacht hatte; ihr spielend leichtes Einfühlen und Abstimmen auf die jeweilige Lage und die ihr gegenübertretende Person hatte etwas Westliches an sich, was die feinwelligen, sehr gepflegten Haare und die dunklen, samtweichen, schnell wandernden Augen noch unterstrichen. Interessant – nicht leicht zu durchschauen – einige Vorsicht empfehlenswert! Stellte Tess abschließend fest. Wie kommt Leo – o Gott, Leo! – Zu dieser Frau!
    „Leo , dein Vetter, wird gleich kommen!“, sagte – nein sang sie, ein weicher Alt, als ob ihr letzter Gedanke erraten worden wäre.
    „ Du singst!“, rief Tess, während sie der Voranschreitenden zu dem sehr vornehmen, aber auch behaglichen Sofa folgte.
    Die Majorin schien diese Feststellung nicht ungern zu vernehmen, doch ließ sie beim Lachen hierüber nicht wieder die Altstimme erschallen, sie lachte leise und lachte so, dass Tess wieder dachte, was für eine schöne Frau sie ist!
    Vielleicht dachte die Majorin eben dasselbe von ihr, sie fühlte sich fast zärtlich herabgezogen, dicht an das dunkelblaue Seidenkostüm, über das ein maisgelber Maria-Stuart-Kragen sich wundervoll herüberlegte.
    „Wie schön, dass du gekommen bist, Tess!“ Die dunklen Augen, jetzt dicht vor ihr, lachten sie innig an.
    „ Wie soll ich dich nennen?“, hauchte Tess, ohne auch nur einen Moment ihre Augen abzuwenden – abwenden zu können.
    „ Sag einfach Li!“
    „ Li?“
    „ Eigentlich Lili“, nickte sie.
    „ Li! – ‘‘Li’’ und ‘‘Leo’’ passen gut zusammen.“
    Ein feines Lächeln glitt über das Gesicht der Majorin, aber – es war kein Lächeln der Zustimmung. Sie sprang fast in demselben Augenblick auf, Tess leicht niederdrückend, lief zu einem wundervollen Kristallschrank und holte eine sehr umfangreiche Dose mit Süßigkeiten.
    Wie lange ist ’s her, dass man mir einmal soviel Aufmerksamkeit erwiesen hat, dachte Tess. Aber sofort schämte sie sich dieses Gedankens, als Riemenschneider, ihre Studentenbude und Franz vor ihren inneren Blick aufstanden. O, wie bin ich schlecht, dachte sie.
    „ Nicht traurig werden, Marie-Therese!“, bat die Majorin, mit dem Namen spielend und singend, während sie leicht über die hohe Mädchenstimme strich.
    „ Ich musste gerade an etwas denken, aber sag doch bitte Tess zu mir. Ja, das wollte ich dich fragen, Li!“
    „ Frag!“ Sie stellte die Pralinen auf Tessis Schoß.
    „ War mein – Freund hier?“ Beinahe hätte sie gesagt ‘‘mein Bruder’’.
    Ein wenig lächelte die Majorin und drohte. Tess lachte mit, doch war sie nicht sicher, ob sie nicht ein bisschen rot wurde.
    „ O, du brauchst dich seiner nicht zu schämen! Er ist ein Recke, ein Vollgermane! Er wird in Berlin Furore machen.“
    Tess lachte nicht mehr. Sie werden ihn hier noch ein bisschen abschleifen und ihn dann als Wundertier in den Gesellschaften und in der Theaterloge vorführen.
    „ Hat er mein Gepäck abgegeben?“
    „ Ja.“ Wieder glitt ein Lächeln über die Züge der Majorin, diesmal ungewollt.
    Also hat er sich blamiert, wusste es Tess doch.
    „ Wir haben das Gepäck auf dein Zimmer gebracht. – Komm, ich zeige dir mal, wo du haust!“
    Als sie eben aufstehen wollten, trat der Major ins Zimmer. Ein Ruck ging durch Tessis Körper, in ein ganz anderes Bereich

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