Entflammt von deiner Liebe: Roman (German Edition)
glühten noch auf dem Kaminrost und warfen ein gespenstisch rotes Licht auf den Sims. Das Mädchen begann mithilfe eines langen Stockes aus Kupfer die deckenhohen schweren Samtvorhänge zuzuziehen. Als die letzte Portiere gegen die Abendkühle geschlossen war, legte sie den Stab zur Seite und trat zum Kamin.
»Danke, Agnes«, sagte eine tiefe Stimme aus dem Schatten.
Agnes stieß einen Schrei aus und zuckte zusammen.
»Danke, Agnes«, wiederholte Lord Nash. »Ihr könnt jetzt gehen.«
Agnes knickste unsicher. »Ich b ... bitte um Verzeihung, Mylord«, piepste sie. »Ich h ... h ... hab Euch gar nicht gesehen. W ... w ... wünscht Ihr kein Licht?«
»Danke, nein.« Als er sein Glas auffüllte, war das Klirren seiner Wodkaflasche zu hören. »Die Dunkelheit kann viele Sünden überdecken, nicht wahr?«
Agnes knickste wieder, sicherheitshalber. »D ... das kann sein, Sir«, wisperte sie. »S ... soll ich mich jetzt um den Kamin kümmern?«
»Das hat bis morgen Zeit.« Die Stimme des Marquess klang rau in der Finsternis. »Ihr könnt jetzt gehen. Nein – wartet.«
»Ja, Mylord?«
»Ist Mr. Swann zufällig noch im Haus?«
»I ... ich weiß nicht, Sir. S ... soll ich einen Diener schicken, ihn zu h ... holen, Sir?«
»Ja, bitte.«
Das Mädchen schoss aus dem Zimmer und ließ Nash mit seinen Gedanken wieder allein. Er glitt tiefer in seinen Armsessel und drückte das Glas mit okhotnichya gegen seine Brust. Seit gut und gern einer Stunde saß er hier – seit seiner Rückkehr aus Rothewells Haus am Berkeley Square. Seine Einsamkeit war einzig vom Dinner unterbrochen worden. Vielleicht hätte er selbst das vergessen, aber dann war Tony vorbeigekommen, war wie ein Gewittersturm im August herein- und wieder davongeeilt.
Nash wünschte sich, er hätte ihn nicht eingeladen. Nicht heute Abend.
Obwohl er und sein Stiefbruder sich immer nahegestanden hatten, waren sie so verschieden wie Tag und Nacht. Tony lebte in der Gegenwart, im Hier und Jetzt, Nash hingegen in der Vergangenheit – oder wenigstens irgendwo dazwischen. Was ihre Persönlichkeit anging, so hatten sie nur wenig, äußerlich hingegen rein gar nichts gemein. Tony war blond und gut aussehend, Nash besaß ein dunkles Äußeres. Tony war schlank und elegant, hatte blaue Augen und eine Erziehung in Oxford aufzuweisen. Ja, Tony war das, was selbst der beste Schneider der Savile Row niemals aus Nash machen könnte – der perfekte englische Gentleman. Aber wie die meisten von ihnen hatte Tony eine eher provinzielle Sicht auf die Welt und Englands Platz darin. Für ihn gab es außerhalb Englands weißen Küsten nichts, das wirklich zählte.
Während also der Kampf und die Finesse Tony überlassen blieben, um die Karriereleiter in der Regierung hinaufzuklettern, gab es auf der anderen Seite Nash ... nun, Nash – ein Titel, so alt und so großartig wie das schöne England selbst, und doch schien er im Gegensatz zu den Gesetzen der Natur zu stehen. Alles schien ... ein wenig ungerecht zu sein. Tony war der Enkel eines Dukes – ein Rang, der in England eine Menge zählte, selbst wenn zwei Dutzend Cousins erst sterben müssten, damit er in Reichweite des Titels käme.
Es ist eine Schande, dachte Nash oft, dass das Marquisat nicht einfach an Tony fallen konnte – und er dadurch das Gefühl loswerden würde, dass sein – Nashs – verstorbener Vater vermutlich das Gleiche gedacht hatte. Der perfekte englische Gentleman für den perfekten englischen Titel. Nash könnte dann, gemäß seiner eigenen Entscheidung, Major in der Palastwache des Zaren werden oder ungestört und in Frieden mit seinem Lieblingswolfshund durch die Hügel streifen.
Aber sein Leben spielte sich jetzt in England ab. Nash war vierzehn gewesen, als sein Vater Edwina geheiratet hatte, eine sehr entfernte und sehr englische Cousine. Die Ehe war von der Familie arrangiert worden und ganz anders als seine erste Ehe gewesen, denn Edwina war ein blasses, hübsches Mädchen, das erst vor Kurzem von einem blaublütigen schwarzen Schaf von Ehemann zur Witwe gemacht worden war. Sie brachte ein kleines Kind mit in die Ehe und kaum zwei Shilling, die man aneinander hätte reiben können.
Nashs Mutter stammte von den Adelsfamilien Russlands und Osteuropas ab. Das Blut der Zaren, vladikas , und der großen Khans war heiß und wild durch ihre Adern geflossen – und hatte ihr Temperament bestimmt. Sie war eine dunkle, lebenssprühende Schönheit gewesen, aber auch sehr verwöhnt. Sie hatte zu
Weitere Kostenlose Bücher