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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Wissenschaftler, die »über Nacht« einen Durchbruch erzielten, nachdem sie jahrzehntelang geforscht und experimentiert hatten. Dieser Typ, der das Klettband erfunden hat, ist bestimmt nicht aus Langeweile darauf gekommen. Es gab Künstler, die heute arbeiteten und ihre Werke an Museen verkauften, die - ohne es zu wissen - schon Arbeiten von ihnen aus den letzten drei Jahrhunderten besaßen. Diese Leute hatten sich entwickelt, waren gewachsen, hatten sich verändert.
    Ich nicht.
    Dinge, die sich nicht entwickeln und nicht wachsen, sind nicht lebendig.
    Ich war mir Nells Aufmerksamkeit bewusst, der großen blauen Augen, mit denen sie mich ansah. Auch Reyn wartete, obwohl sein Blick der Straße galt und seine starken Hände auf dem Lenkrad lagen.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich mit untypischer Ehrlichkeit. Es gibt nichts, was ich richtig gut kann. Ich habe zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Dinge gemacht, aber nichts davon weiter verfolgt. Aber ... ich kann lernen. Ich glaube, dass ich hier lerne. Vielleicht.«
    Reyn warf mir einen Blick zu. Diese goldenen, löwenartigen Augen.
    »Ja«, sagte Nell. »Ja, dies ist ein guter Ort zum Lernen. Aber dazu bedarf es der Hingabe. Und es kostet Zeit. Du hast noch nicht mal angefangen, an den normalen Unterrichtsstunden teilzunehmen, stimmt's?«
    Ich zitierte Solis: »Man kann in jeder Situation etwas lernen. Ich lerne, jeden Moment zu würdigen, jede Minute zu spüren und im Hier und Jetzt zu leben.«
    Nell war verdutzt und Reyn schnaubte ein Lachen, das er schnell hinter einem Huster versteckte. Zumindest glaubte ich, dass es ein Lachen war.
    »Man braucht einfach nur die richtige Einstellung«, bemerkte Nell und deutete damit an, dass sie mir fehlte.
    »Hmm«, machte ich wieder und sah aus dem Fenster.

12
    Ich war in einem anderen Planetensystem gelandet: dem River-Universum. Ich musste so viele Verhaltensweisen neu erlernen - hinter mir aufzuräumen, weil es kein Zimmermädchen gab; meinen Teller nach dem Essen in die Küche zu bringen; meine Schuhe vor der Tür zu lassen, um keinen Matsch ins Zimmer zu tragen.
    Meine neuen Sachen überlebten die Wäsche viel besser als mein Gaultier-Overall und der Kaschmirpulli, den ich erst in die Waschmaschine und dann in den Trockner gesteckt hatte. Danach war er klein genug gewesen für Jasper, der jetzt stolz in knallrosa Chanel herumspazierte. Ich hoffte nur, dass er ihn nicht von einem Stinktier verpesten ließ.
    Es gab kein Kabelfernsehen, nur ein paar knisternde Lokalprogramme. River hatte einen Computer in ihrem Büro, und wer ihn benutzen wollte, musste sich in eine Liste eintragen. Ich brauchte ihn nicht. Wir bekamen jeden Tag die örtliche Zeitung und aus lauter Langeweile studierte ich die neuesten Ernteberichte, las, wessen Kuh ausgebrochen war, wessen Scheune der Blitz getroffen hatte und welcher Grundschullehrer für den Stadtrat kandidierte. Die London Times war
    voll mit Kriegen, Regierungsskandalen, Promi-Verhaftungen, Promi-Hochzeiten und Sportberichten gewesen. Das alles schien nur so vorbeizurauschen - Premierminister kamen und gingen, die Menschen protestierten gegen etwas und beruhigten sich wieder. Und hier wurde jeder Pups zu einer faszinierenden Neuigkeit hochgejubelt.
    Die anderen fingen an, mich Dinge zu lehren, die ich nie wissen wollte: die Namen von Bäumen, Pflanzen, Vögeln und anderen Tieren. Wie man Kräuter sammelt und sie zum Trocknen aufhängt. Wie man seine Aufmerksamkeit auf eine Kerzenflamme konzentriert. Yoga. Meditation, was ich hasste. Aber jedes Mal, wenn mein Inneres rebellierte, was ungefährachtzigmal am Tag der Fall war, erkannte ich, dass ich es nicht ertragen konnte, etwas anderes zu machen oder woanders zu sein. Also riss ich mich zusammen und tat, was getan werden musste, bis ich einen Grund hatte zu gehen.
    Bis es sich nicht mehr unerträglich anfühlte zu gehen.
    Eines Morgens war es meine Aufgabe, die Eier aus dem Hühnerstall zu holen. River hielt ungefähr dreißig Hühner. Sie liefen frei auf dem Hof herum, pickten nach Würmern und gingen allen auf die Nerven. Nachts hockten sie auf ihren Nestern und waren zum Schutz vor Wieseln, Füchsen, Habichten, streunenden Hunden und anderem Viehzeug im Hühnerstall eingesperrt. Unsere Hofhunde verachteten die Hühner natürlich, ließen sie aber in Ruhe.
    Auf jeden Fall musste sich jeden Morgen irgendein armes Schwein (an diesem Tag war ich das) in den niedrigen Hühnerstall zwängen, der warm und feucht war

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