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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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zum Feuer zeigte. Links, gerade, rechts, gerade, links, gerade und weiter. Mir gingen ein paar Gedanken durch den Kopf und ich ließ sie zu, obwohl ich mich ja eigentlich nur auf das Feuer konzentrieren und gar nichts denken sollte, um michdarauf vorzubereiten, dass die Magie endlich Besitz von mir ergriff - halleluja!
    Ein Gedanke war, dass es wohl niemanden gab, der glücklicher gewesen war als ich, als die höfischen Tänze endlich aus der Mode kamen. Ich bin das größte Trampeltier der Welt, ohne jedes Gefühl für Rhythmus, unfähig, den Takt zu halten, und außerdem hatte ich nie kapiert, wo mein Tanzradius endete und der des nächsten Tänzers begann. Und oh, mein Gott, diese vielen peinlichen Tänze, die ich irgendwie überlebt hatte, ohne mir jemals diese Unmengen von Schritten merken zu können. Ich war »Die Hübsche, die tanzt wie ein Bär« gewesen. Und das in mehreren Ländern.
    Aber eingeklemmt zwischen River und Solis, vom Kreis mitgezogen, war ich gar nicht so schlecht. Im Licht der Flammen wirkten die Gesichter unheimlich, wie bei einer HalloweenParty. Der Unterschied zwischen der Wärme des Feuers und der Nachtbrise um uns herum gab mir das Gefühl, als gäbe es zwei von mir, eine warm, die andere kalt. Eine hell, die andere dunkel.
    Dieser Gedanke war mir kaum gekommen, als ich ihn auch schon verdrängte. Ich versuchte, mich darauf zu konzentrieren,was im Kreis geschah. Die anderen sangen jetzt, aber es war kein Lied, das ich kannte. Es war nicht so wie das von Kim in Boston, bei dem ich hatte mitsingen können. Dieses hier hatte eine ganz andere Struktur.
    Als ich genauer hinhörte, erkannte ich, dass jeder ein anderes Lied sang. Die ganzen Melodien und Stimmen verschmolzen zu einer, aber es waren keine zwei darunter, die identisch waren. Einige klangen nach Worten - ich glaubte, einen Haufen verschiedener Sprachen herauszuhören - aber andere bestanden nur aus Lauten, langgezogenen Silben, wie von einem Buckelwal.
    Es klang gut, aber noch wichtiger war, dass ich anfing, die Kraft zu spüren.
    Niemand achtete auf mich - alle waren in ihre eigene Hingabe, Konzentration und Gesänge versunken. Ich begann, leise mitzusummen.
    Es fühlte sich richtig an, dieses Summen, also verstärkte ich es. Bei den wenigen Zirkeln, an denen ich bisher teilgenommenhatte, auch dem von Kim, waren die Gesänge fordernd gewesen. Es waren Befehle. Manchmal auch Verführungen. Aber das hier fühlte sich an wie - ein Geschenk, auch wenn das vielleicht kitschig klingt. Es fühlte sich an wie eine Gabe an den Himmel, den Wald, den neuen Mond und jeden der Teilnehmer.
    Jetzt konnte ich auch folgen; spürte, wie es in mir aufstieg. Ich wagte den Sprung vom Summen zum Öff-nen des Mundes und machte beim Walgesang mit. Ich machte Geräusche, die zu den anderen passten und nicht herausstachen. Mehrere der Stimmen klangen besonders gut und ihnen passte ich mich an, ohne jemand anders aus dem Takt zu bringen.
    Und oh, ja, ein paar Minuten später spürte ich, wie mich die Macht durchströmte wie warmer Whisky, das unbe-schreibliche Glücksgefühl, das überwältigende Gefühl von Kraft und Freude und Aufregung. Jetzt war ich bereit, alles zu geben, zu allem beizutragen. Ich war glücklich und mir war ganz egal, ob wir bewirken wollten, dass das Getreide schneller wuchs, dass es nicht schneite oder ob unser Ziel der Sturz, einer Nation war. Das alles war in Ordnung; es war möglich und ich war noch nie so glücklich.
    ***
    Beim nächsten Atemzug war ich in einer kleinen Hütte. Die Wände bestanden aus rauchgeschwärzten Brettern; die Dachbalken waren mit Schnitzereien verziert und bemalt. Von draußen hörte ich Schreie, das Donnern von Pferdehufen unddas Brüllen von' Männern, Oh, Gott, oh, Gott, dachte ich hysterisch. Mir schlug das Herz bis zum Hals und ich bekam kaum noch Luft. Ich hatte getan, was ich konnte - auf so etwas konnte man sich nicht vorbereiten. Mit zitternder Hand löschte ich die einzige Kerze - vielleicht würde die Hütte dann leer aussehen - und kroch hinter das Strohbett.
    Die Tür wurde aufgetreten. Die Schmerzens-und Angstschreie wurden lauter. Ich konnte hören, wie die Pferde draußen durch den eisigen Schlamm stampften. Grobe Stimmen. Ein Mann kam herein und sah sich in der Hütte um. Er trug das lange goldene Haar zu Zöpfen geflochten. Sie waren ebenso mit Blut verschmiert wie sein Kettenhemd. Er steuerte den großen Topf an, der über dem Feuer

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