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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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hochkamen.
    River kam, legte mir den Arm um die Schultern, strich mir das Haar aus der Stirn und murmelte irgendwelche Worte. Mit kühlen Fingern malte sie Symbole auf meine Stirn, meinen Rücken und meinen Arm und langsam ließ die Übelkeit nach.
    Ich stand nur noch da, die Hände auf den Knien, schweiß- gebadet und außer Atem, und fühlte mich wie ausgebrannt.»Komm, lass uns ins Haus zurückgehen«, sagte River und half mir, mich aufzurichten. »Ich mache dir einen Tee und dann kannst du mir davon erzählen.«
    Ich nickte schwach und stellte erleichtert fest, dass alle außer den anderen Lehrern bereits gegangen waren. Anne löschte das Feuer und vergewisserte sich, dass kein Fünkchen mehr glimmte, und dann gingen wir durch das Laub auf das warme, helle Haus zu, das mir vorkam wie ein schützender Hafen.
    Ich nickte wieder, aber ich wusste schon jetzt, dass ich weder River noch jemand anderem erzählen würde, was ichgesehen hatte. Es war keine Vision gewesen, sondern eine Erinnerung. Das Gesicht meines Sohnes - mein Baby. Er war nicht unsterblich gewesen und der Sohn, für den ich in dieser Nacht alles gegeben hätte, starb nur drei Jahre später an Grippe. Immer, wenn ich mich an sein rundes kleines Gesicht erinnerte, stiegen Tränen in mir hoch. Aber das war nicht alles. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten hatte ich mir erlaubt, mich daran zu erinnern, wie mein Angreifer ausgesehen hatte.
    Es war Reyn gewesen.

17
    Als ich endlich im Bett lag, war ich noch lange wach und zitterte unter meiner Decke. Ich konnte nicht aufhören, über Reyn und den Krieger aus dem Norden nachzudenken und darüber, dass meine Tür kein Schloss hatte. Ich wollte mein Amulett fühlen, es festhalten, aber aus irgendeinem Grund wagte ich nicht, es aus seinem Versteck zu holen. River hatte sanft versucht, mich auszufragen, aber ich hatte nicht darüber reden wollen. Meine Ausreden waren so lahm und durchsichtig gewesen, dass sie es schließlich aufgegeben hatte. Ich meine, logisch betrachtet konnte es nicht Reyn sein, oder? Er hatte zwar ausgesehen wie Reyn und es würde auch erklären, wieso er mir so bekannt vorkam, aber es widersprach total meiner Verliebtheit in ihn und au- ßerdem war er nicht alt genug.
    Am nächsten Morgen flogen meine Lider eine Minute vor dem Weckerklingeln auf. Ich sah mich hektisch um, als rech— nete ich damit, dass der Nordmann irgendwie die vierhun— dert Jahre und viertausend Kilometer überwunden hatte und in meinem Zimmer stand.
    Ich hatte das alles so lange unterdrückt. Doch jetzt kam es wie Lava durch den-Riss in meiner harten Schale geflossen. Schöner Mist. Ich kroch aus dem Bett und stellte fest, dass die Morgendämmerung jeden Tag ein bisschen später kam. Es war kalt im Zimmer - der Heizkörper fing gerade erst an, ein wenig zu zischen und zu knacken. Ich zog Jeans an, ein Unterhemd, ein T-Shirt und darüber ein Flanellhemd, stieg in meine robusten Schuhe und ging zögernd nach unten, obwohl ich Angst hatte, dass ich loskreischen würde wie ein kleines Mädchen, wenn ich Reyn sah.
    »Morgen, Nas«, sagte Lorenz, als ich die Küchentür aufstieß. Er breitete die Arme weit aus, den Pfannenwender noch in der Hand. »Umarrne den Tag! Umarme einen weiteren wundervollen Tag!« Dann schmetterte er ein Stück aus einer Oper - etwas aus La Boheme - und ich grinste ihn an. Brynne, die eine Schürze umgebunden hatte, lachte und schlug mit einem Geschirrtuch nach ihm. Das war mein neues normales Leben und ich musste zugeben, dass es das  alte um Längen schlug.
    Mein Name stand an der Tafel in der Rubrik Eiersammeln und so nahm ich den Korb von seinem Haken an der Hintertürund ging über das knirschende, gefrorene Gras zum Hühnerstall. Dabei sah ich mich ständig hektisch um, als rechnete ich damit, dass jeden Augenblick eine feindliche Horde den Hof stürmen könnte. Ich öffnete als Erstes die kleine Hühnertür und die Hühner strömten gackernd nach draußen. Dann machte ich die größere Tür auf, zog den Kopf ein und betrat den Stall.
    Das einzig Gute am Eiersammeln am frühen Morgen war die Tatsache, dass es im Hühnerstall warm war - ganz imGegensatz zur Außenwelt, die mit Raureif überzogen war. Nell hatte gesagt, dass Reyn erst zweihundertsiebenund—sechzig Jahre alt war. Er hatte ihr nicht widersprochen. Meine Erinnerung war von - genau wusste ich es nicht - Ende 1500. Nicht ganz 1600. Es war in Noregr – Norwegen, das damals zum Dänisch-Norwegischen

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