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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Königreich gehört hatte. Ich hatte den dort üblichen Dialekt mal gekonnt, aber jetzt war alles weg.
    Da Reyn zu jener Zeit noch nicht mal geboren war, konnte er auch nicht der Berserker aus meiner Erinnerung sein. Aberich hätte schwören können, dass der Angreifer ganz genau so ausgesehen hatte wie er. Abgesehen natürlich davon, dassder Mann filzige lange Haare gehabt hatte, mit Blut und Schlimmerem bedeckt gewesen war und Tierfelle und eine primitive Rüstung getragen hatte. Aber ansonsten - ein eineiiger Zwilling.
    »Komm, puttputt«, murmelte ich und schob meine Hand vorsichtig unter eine der Hennen. Diese hatte noch nie nach mir gehackt, obwohl ich sicher war, dass auch sie total stinkig war, weil wir ihr ständig die Eier klauten.
    »Hast du dich verlaufen?«
    Ich schrie auf, fuhr herum und ließ ein Ei fallen. Reyn stand in der Tür und im matten Morgenlicht war seine Silhouetteabsolut identisch mit der des Kriegers, der vor so langer Zeit auf der Schwelle meiner Hütte aufgetaucht war. Er spähte zumir hinein, während jeder Nerv meines Körpers vor Adrenalin vibrierte.
    »Geh raus!«, zischte ich wutentbrannt. »Raus hier!« Ich war nicht länger eine hilflose Dorfbewohnerin - dies war daseinundzwanzigste Jahrhundert, und wenn er mich wieder bedrohte, konnte ich ihn mit dem Auto überfahren oder mit einem Küchenmesser niederstechen. Was einen Unsterblichen zumindest ein wenig ausbremsen würde.
    »Was zum Teufel ist los mit dir?«, fragte Reyn mit einem Stirnrunzeln. »Brynne braucht die Eier - sie hat nur noch ein paar von gestern übrig.«
    Ich atmete hektisch und verwandelte mich mit meinem wilden Blick in nur wenigen Sekunden von einer unberechenbarenLoserin in eine gefährliche Verrückte.
    Er legte den Kopf schief und sah mich an. »Alles in O rdnung?« Er klang neugierig, als interessierte es ihn, was die Irre als Nächstes tun würde.
    Ich schluckte und hasste es, mich so unterlegen zu fühlen. »Wie alt bist du?«
    »Zweihundertsiebenundsechzig«, sagte er gleichmütig.

    »Wieso?«
    »Woher kommst du? Wo bist du aufgewachsen?« Das waren genau die Fragen, die zu beantworten ich selbst michweigerte. Ironie des Schicksals.
    »Überwiegend in Indien. Meine Eltern waren holländische Missionare dort. Einige der ersten.«
    Möglich war es. Warum sollte er lügen? Aus demselben Grund, aus dem du lügst, sagte eine Stimme in meinem Kopf. Ich unterdrückte sie wie gewöhnlich. Langsam und ohne ihn aus den Augen zu lassen, bückte ich mich und hob das Ei auf, das ins Stroh gefallen und heil geblieben war. Ich legte es in den Korb, sah mich schnell um und zählte die Hühner. Sie waren alle da, mit Ausnahme des Biests. Ach, zur Hölle mit dem Vieh.
    »Okay«,sagte ich abrupt. »Hier,« Ich hielt ihm den Korb hin, damit er ihn mitnahm und endlich verschwand.
    Er deutete mit einer Kopfbewegung auf die zwei Milchkannen, die er in den Händen hielt. River besaß ein paar Kühe, aber zum Glück war ich bisher nicht zum Melken eingeteilt worden.
    Er trat von der Tür zurück. Ich holte tief Luft und folgte ihm in den frühen Morgen. Schweigend gingen wir aufs Haus zu, ich ein paar Schritte hinter ihm. Die Blätter unter unseren Füßen waren immer noch feucht, doch der Frost ließ sie knistern. Unser Atem zeichnete weiße Wölkchen in die Luft.
    Reyn sah aus wie ein Wikinger - wesentlich mehr nach einem Kosaken, Russen oder Nordmann als nach einem Holländer.Seine Augen standen leicht schräg und waren ein bisschen mandelförmig und seine Haut war zwar blass, hatte aber einen braunen Unterton. Nicht hell cremefarben wie bei vielen Holländern. Der Größe nach passte er nach Holland, aber die Wikinger waren auch ein Volk mit großen Menschen gewesen. Er war bestimmt über einsneunzig. Vor vierhundert Jahren musste er den Leuten wie ein Riese vorgekommen sein.
    Ich hatte ihn mir als Wikingergott vorgestellt und ein paar Tage lang war das witzig gewesen. Doch er sah tatsächlich aus wie der typische Krieger aus dem Norden. Natürlich bedeutete das nicht, dass er einer war. Es war durchaus möglich,dass er zweihundertsiebenundsechzig und geborener Holländer war. Und es war genauso möglich, dass meine verdrehtePsyche eine schreckliche Erinnerung genommen und denjenigen hineingebastelt hatte, der mir gerade durch den Kopf spukte. Bisher war so etwas nicht passiert, aber zurzeit wurden alle möglichen Gedanken und Erinnerungen aufgewühlt, und ich musste

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