Entfuehrt
auf die Suche nach Jake.
Er half gerade auf der anderen Straßenseite bei einem Rettungswagen, den Reifen zu wechseln.
Ihr Körper schien nach der Anspannung noch immer zu vibrieren, und sie fühlte sich nur umso mehr zu Jake hingezogen. Sie beobachtete, wie seine Unterarme sich anspannten, als er den Reifen auf die Achse wuchtete. Sein Körper, der jeder Wetterlage gegenüber unbeeindruckt schien, war von Regen und Eis glitschig. Sie wollte ihn. Hier und sofort.
Vielleicht hatte sie Fieber. Das würde die plötzliche, pulsierende Hitze erklären, die sie vom Gesicht bis zu den Schenkeln erfasste und besonders zwischen ihren Brüsten brannte. All ihre Fantasien, in denen Jake in den vergangenen Monaten eine bedeutende Rolle gespielt hatte, kamen ihr wieder in den Sinn.
»Isabelle, setz dich ins Auto!«, rief er ihr über die Schulter zu. Er wusste genau, dass sie ihn beobachtete. Aber er hatte auch recht. Der Schnee war inzwischen in leichten Eisregen übergegangen, und ihr klapperten die Zähne. Also ging sie zu dem Blazer und drehte den Schlüssel im Zündschloss. Sie zog die Jacke an, die Jake ihr geliehen hatte und die er in der Zwischenzeit wieder dort reingeworfen hatte, damit sie nicht vollends durchweichte.
Es wurde erstaunlich schnell warm im Auto. Sie hätte sich eigentlich denken können, dass an diesem Wagen nichts gewöhnlich war, nachdem sie gestern das erste Mal damit gefahren war. Auch wenn ihr Fahrstil nicht mit dem zu vergleichen war, den ihr Soldat heute früh gezeigt hatte.
Als ihr wärmer wurde, streckte sie sich, damit ihre Lendenwirbel sich nicht versteiften. Wegen der Kälte und weil sie den Jungs aufgeholfen hatte, würde sie morgen vermutlich ein übles Reißen im Kreuz haben. Ein Blick in den Himmel erinnerte sie aber daran, dass es bereits Morgen war. Die Dämmerung hatte begonnen, während sie mit anderem beschäftigt gewesen war.
Jake stand außerhalb des Wagens auf der Beifahrerseite. Direkt neben ihr. Aber seine Aufmerksamkeit war ganz auf den langsam heller werdenden Himmel gerichtet.
Während langsam die Sonne über den Horizont stieg und ihr Licht auf den glitzernden Schnee warf, legte Isabelle irgendwann zögernd ihre Hand flach gegen die Scheibe. Obwohl Jake sich nicht zu ihr umdrehte und den Blick noch immer der aufsteigenden Sonne zuwandte, legte er seine Hand auf seiner Seite des Fensters direkt gegen ihre. Nur das Glas trennte sie.
Dennoch wusste sie, dass es für ihn nicht einfach war, wenn sie ihm näherkam. Aber sie würde es auch gar nicht anders wollen.
Für Sarah Cameron gab es keine andere Möglichkeit, Bilder zu bekommen, die sie brauchte, wenn sie sich nicht mitten ins Geschehen begab. Sie bewegte sich so geräuschlos wie nur möglich durchs Unterholz. Ihr Herz hämmerte.
Die Durchsuchung eines Grenzpostens war ziemlich danebengegangen. Ein Söldner namens Al hatte sie darauf aufmerksam gemacht. Er wusste, dass Sarah Geld brauchte, nachdem die Farm ihrer Familie beschlagnahmt worden war. Sie brauchte immer Geld. Sie war im Alter von sechzehn zur Versorgerin der Familie geworden, hatte nicht zur Universität gehen können, wo sie vielleicht Journalismus und Fotografie hätte studieren können. Stattdessen war sie in der Heimat geblieben und dokumentierte die Probleme ihres Landes.
Meist drehte sich ihr bei dem, was sie sah, der Magen um.
Zum Beispiel beim Anblick von Kindersoldaten, die wie Gegenstände gekauft und verscherbelt wurden und die mit dem Versprechen von Reichtum und mit Drogen und Drohungen bei der Stange gehalten wurden.
Sie hatte den Versuch aufgegeben, es zu verstehen. Jetzt verbrachte sie ihre Zeit nur noch damit, den besonderen Moment einzufangen. Und sie versuchte, im Augenblick zu leben.
Sie erwartete nicht, besonders lange zu leben. Inzwischen war ihr bewusst geworden, dass sie im Laufe der letzten Jahre zu dem Punkt gelangt war, an dem ihr eigenes Leben sie nicht mehr kümmerte. Eigentlich sollte ihr das Sorge bereiten. Die alte Sarah hätte es beunruhigt. Aber das war Jahre her, und diese Frau existierte nicht mehr.
Du verkaufst deine Seele und dein Land. Ja, das tat sie. Und sie war nicht stolz darauf, aber ihre Familie brauchte schließlich ihre Hilfe. Das hier war das Beste, was sie ihnen geben konnte.
Als Mugabe in Simbabwe an die Macht gekommen war, hatte die Koalitionsregierung gemeinsam mit der ZANU, der afrikanischen Nationalunion von Simbabwe, beschlossen, es sei an der Zeit, dass die Afrikaner das Land von den Weißen
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