Entfuehrt
versucht hatte, sie ins Bett zu bekommen, hatte er sie vom Lager weggelockt. In einer der langen Stunden, zu denen sich die folgenden drei Tage, in denen sie sich mit ihm versteckte, dehnten, gestand er ihr, dass er sich in sie verliebt hatte. Danach fügte er ihr Schmerzen zu. Dann wurde sie gerettet.
Dann kam Jake.
Sie schüttelte den Kopf, als könne sie die Erinnerungen damit vertreiben. Als könne die Schuld nachlassen, Daniel betrogen zu haben, als verschwände endlich die Erinnerung daran, was sie mit Rafe getan hatte.
Wenn sie mit Jake zusammen war, würde es in gegenseitigem Einvernehmen geschehen. Sie hatte es inzwischen begriffen. Das, was nach Rafes Liebeserklärung passiert war, existierte nur noch als großes Durcheinander in ihrem Verstand, weil sie es nicht ertrug, sich einzugestehen, dass sie in dieser Situation die Kontrolle und ihre Macht verloren hatte.
Das Schluchzen erwachte in ihrem Hals, ehe sie es herunterschlucken konnte. Es hallte in dem stillen Zimmer wider. Sie wandte sich ab und vergrub ihr Gesicht im Kissen, als könnte sie damit jeden weiteren Gedanken aus ihrem Kopf verbannen.
Die Schreie hallten durch das ganze Haus. Es waren tierische Laute, die aus den Untiefen der Seele aufstiegen.
Und sie hörten nicht auf.
Zuerst glaubte Isabelle, sie sei noch in einem Traum gefangen, in dem sie glaubte, aufgewacht zu sein, aber in Wahrheit noch schlief.
Aber nein, sie war wach, sie hatte die Augen geöffnet. Die Schreie wurden zu einem lauten Wimmern, das sie zerriss.
In Sekunden war sie die Treppe heruntergelaufen. Sie hatte die Tür offen gelassen, und auch die zu Jakes Zimmer stand offen. Ja, da war er. Und ja, die Laute drangen aus seinem Zimmer.
Zögernd betrat sie das Schlafzimmer. Die Laute waren leiser geworden, aber er wimmerte immer noch ein wenig. Sie versuchte nicht, ihn zu wecken, weil man das nicht tun sollte, wenn jemand einen Albtraum hatte. Nein, es war besser, erst langsam zu Bewusstsein zu kommen und sich dann erst den Konsequenzen zu stellen.
Ihre Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit, während sie in der Nähe der Tür wartete. Sie hörte, wie das Bettzeug raschelte, und sah, wie Jake sich aufrichtete. In die Decke gewickelt krümmte er sich zusammen und presste sein Gesicht gegen die Knie. Das einzige Geräusch im Raum war sein Atem. Er atmete schnell. Abgehackt.
Gefangen in der Agonie seines Albtraums hatte er immer wieder geschrien: Nein! Hör auf!
Am liebsten wäre sie zu seinem Bett gegangen und hätte ihn getröstet. Aber ihr Selbstschutz hielt sie davon ab. Sie wusste, ob er nun einen Albtraum gehabt hatte oder nicht, es wäre das Schlimmste, was sie tun konnte.
Jake wusste, er hatte einen Weg aus dem Albtraum gefunden, und befand sich jetzt in dieser Zwischenwelt, in der er nicht sicher war, ob er aufwachen und sich mit den Folgen befassen wollte.
Vor allem, weil er nicht allein war. Scheiße, es war nicht Nick oder Chris bei ihm. Er hatte seine Tür absichtlich offen gelassen, aber er hatte nicht noch mal überprüft, dass ihre zu war und Chris unten Wache schob.
Ihre Tür war schwer und schallgedämpft. Sie hätte ihn nicht gehört. Es sei denn, sie öffnete ihre Tür, weil sie sich dann sicherer fühlte. Sie musste auf direktem Weg zu ihm gelaufen sein, bevor Chris seinen Albtraum bemerkt hatte.
Scheiße.
»Es geht mir gut«, sagte er schließlich.
»Es tut mir leid … Ich wusste nicht, dass du mich bemerkt hast«, sagte sie rasch. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Nein. Geh wieder ins Bett.«
»Vielleicht bist du krank.«
»Bin ich nicht.«
»Du könntest eine Infektion haben. Manchmal verursachen Infektionen Nachtschweiß, Schmerzen und Albträume. Sogar Halluzinationen sind möglich.«
Sie hatte das Licht nicht eingeschaltet. Das war gut. Die Dunkelheit, die zwischen ihnen lag, war ein letzter Schutzschild. Das und die Decke, die er um sich gewickelt hatte und die feucht von seinem Schweiß war. Er beschloss, nie wieder zu schlafen, solange nicht Nick bei ihm im Raum war.
Auf Nick konnte er zählen. Nick schlief nie. Nick weckte ihn, bevor der Albtraum einsetzte. Es war ihm egal, ob Jake ihn trat oder nach ihm schlug.
Aber Isabelle … Sie hatte alles mitangesehen.
Sie kam langsam näher, umrundete das Fußende des Betts. Zugleich ließ sie viel Platz zwischen sich und der Matratze. »Lass mich mal kurz deine Nähte untersuchen. Durfte ich gestern ja nicht.«
»Ich war gestern beim Arzt. Es geht mir gut«, grollte
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