Enthüllung
empört gewesen, daß ihm gar nicht aufgefallen war, wie sie über den Zeitpunkt ihres Gesprächs mit Blackburn gelogen hatte. Denn Sanders war sofort nach der Sitzung in Blackburns Büro gegangen – und da hatte Blackburn bereits von der Sache gewußt.
»Ms. Johnson, um welche Uhrzeit gingen Sie, Ihrer Schätzung nach, zu Mr. Blackburn?«
»Das weiß ich nicht mehr. Es war nach der Sitzung.«
»Welche Zeit, ungefähr?«
»Zehn Uhr.«
»Nicht früher?«
»Nein.«
Sanders schielte zu Blackburn hinüber, der starr am Ende des Tisches saß. Er wirkte angespannt, biß sich ständig auf die Unterlippe.
»Soll ich Mr. Blackburn bitten, das zu bestätigen?« fragte Fernandez. »Seine Sekretärin hat doch sicherlich einen Kale n der, für den Fall, daß ihn sein Gedächtnis im Stich lassen sollte.«
Kurze Zeit herrschte Schweigen. Fernandez richtete den Blick auf Blackburn. »Nein«, sagte Meredith schließlich, »nein, ich war eben ein bißchen durcheinander. Ich wollte sagen, daß ich nach der ersten Sitzung und vor der zweiten Sitzung zu Phil ging.«
»Mit der ersten Sitzung meinen Sie die, bei der Sanders feh l te? Die Sitzung, die um acht Uhr begann?«
»Ja.«
»Dann kann Mr. Sanders’ Verhalten bei der zweiten Sitzung, als er Ihnen widersprach, keinen Einfluß auf Ihren Entschluß, mit Mr. Blackburn zu sprechen, gehabt haben. Denn Sie hatten zu diesem Zeitpunkt ja bereits mit Mr. Blackburn gesprochen.«
»Wie gesagt, ich war ein wenig durcheinander.«
»Ich habe keine weiteren Fragen, Euer Ehren.«
Judge Murphy schlug ihren Notizblock zu. Ihre Miene war ausdruckslos, völlig undurchdringlich. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Es ist jetzt halb zwölf. Wir unterbrechen für eine zweistündige Mittagspause. Ich setze extra eine längere Pause an, damit die Anwälte die Situation mit ihren Klienten besprechen und herausfinden können, wie die Parteien fortz u fahren wünschen.« Sie erhob sich. »Sollten die Anwälte aus irgendeinem Grund mit mir sprechen wollen, so bin ich dazu selbstverständlich gern bereit. Wenn nicht, sehen wir uns alle hier Punkt halb zwei wieder. Ich wünsche Ihnen ein angenehmes und produktives Mittagessen.« Sie stand auf und verließ den Raum.
Blackburn erhob sich und sagte: »Ich bitte um ein Gespräch mit der Anwältin der Gegenpartei, jetzt sofort.«
Sanders warf Fernandez einen Blick zu.
Fernandez deutete ein Lächeln an. »Ich stehe Ihnen zur Ve r fügung, Mr. Blackburn.«
D ie beiden Anwälte und die Anwältin standen beim Brunnen. Fernandez sprach lebhaft auf Heller ein, Blackburn war ein paar Schritte zur Seite gegangen und hielt ein Mobiltelefon ans Ohr gepreßt. Auch Meredith Johnson, die auf der anderen Seite des Innenhofes stand, führte, aufgebracht gestikulierend, ein Telefongespräch.
Sanders hielt sich etwas abseits und beobachtete die Szene. Er hatte nicht den geringsten Zweifel, daß Blackburn sich um einen Vergleich bemühte. Stück für Stück hatte Fernandez die Version von Meredith Johnson zerpflückt: Sie hatte gezeigt, daß Mer e dith ihre Sekretärin beauftragt hatte, Wein und Kondome zu kaufen, die Tür abzusperren, als Sanders da war, und spätere Termine abzusagen. Sie hatte deutlich gemacht, daß Meredith keineswegs eine durch einen sexuellen »Überfall« überraschte Vorgesetzte war, sondern selbst die Initiative ergriffen und dies den ganzen Nachmittag über geplant hatte. Ihre heikelste Reaktion – der wütende Satz »Du kannst mich nicht einfach sitzenlassen« – war von der Putzfrau gehört worden. Und sie hatte in bezug auf den Zeitpunkt und das Motiv ihrer Unterr e dung mit Blackburn gelogen.
Es bestand jetzt kein Zweifel mehr daran, daß Meredith log. Die Frage war nur noch, was Blackburn und DigiCom zu tun gedachten. Sanders hatte in genügend Sensibilisierungssem i naren für Manager zum Thema »Sexuelle Belästigung« gese s sen, um über die Verpflichtungen der Firma Bescheid zu wissen. Sie hatten wirklich keine Wahl.
Sie mußten sie feuern.
Aber was würden sie mit ihm machen? Das stand auf einem ganz anderen Blatt. Er hatte das starke Gefühl, durch seine Anschuldigung alle Brücken zu DigiCom abgebrochen zu haben; sie würden ihn nicht wiederhaben wollen. Sanders hatte Garvins Liebling abgeschossen, und das würde Garvin ihm nie verzeihen.
Also kam er als Mitarbeiter nicht mehr in Frage. Sie mußten ihn auszahlen.
»Die läuten wohl schon die Schlußrunde ein, was?«
Sanders drehte sich um und sah Alan, einen
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