Enthüllung
lang und fugte dann hinzu: »Ich will nicht, daß du aus dieser Sache geschädigt hervorgehst.«
»Ich bin bereits geschädigt.«
»Hier geht es, wie gesagt, um Gefühle. Um einander wide r sprechende Behauptungen. Und leider, Tom, leider haben wir keine Zeugen.« Er rieb sich die Nase und zupfte an seinem Revers.
»Wenn du mich aus der APG drängst, bedeutet das einen großen Schaden für mich, weil ich dann der neuen Firma nicht mehr angehören werde. Der Firma, für die ich zwölf Jahre lang gearbeitet habe.«
»Interessante Rechtslage«, warf Blackburn ein.
»Ich rede nicht von irgendeiner Rechtslage. Ich rede von –«
»Paß auf, Tom. Ich werde die Sache mit Garvin besprechen. In der Zwischenzeit kannst du dir das Angebot Austin noch mal durch den Kopf gehen lassen. Denk gründlich darüber nach! Eine derart sinnlose Streiterei gewinnt nämlich keiner. Du kannst Meredith Schaden zufügen, noch weit mehr aber dir selbst. Diese Gefahr macht mir Sorgen, denn schließlich bin ich dein Freund.«
»Wenn du mein Freund wärst –«, setzte Sanders an.
»Und ich bin dein Freund«, warf Blackburn ein. »Ob du es nun glaubst oder nicht.« Er erhob sich und blieb hinter seinem Schreibtisch stehen. »Es ist völlig unnötig, daß die Geschichte in sämtlichen Zeitungen Schlagzeilen macht. Deine Frau braucht nie etwas davon zu erfahren, deine Kinder natürlich auch nicht. Du willst doch nicht den restlichen Sommer hi n durch den Stoff für den Tratsch von Bainbridge abgeben! Das würde dir wirklich nicht guttun.«
»Ich verstehe, aber –«
»– aber wir müssen der Realität ins Auge blicken, Tom. Das Unternehmen ist hier mit einander widersprechenden Behau p tungen konfrontiert. Was geschehen ist, ist geschehen, daran läßt sich nichts mehr ändern. Ich kann dir nur sagen, daß ich die Sache so schnell wie möglich bereinigen möchte. Also, denk darüber nach. Bitte. Und dann komm wieder.«
A ls Sanders gegangen war, rief Blackburn Garvin an. »Ich habe gerade mit ihm gesprochen.«
»Und?«
»Er sagt, es sei genau andersherum gewesen. Sie habe ihn belästigt.«
»Mein Gott – was für ein Chaos!«
»Ja. Andererseits war genau das auch zu erwarten«, sagte Blackburn. »Es ist die übliche Reaktion in solchen Fällen. Der Mann streitet es immer ab.«
»Ja, schon, aber – es könnte gefährlich werden, Phil.«
»Ich verstehe.«
»Ich will nicht, daß uns die Sache über den Kopf wächst.«
»Nein, nein.«
»Es gibt im Augenblick nichts Wichtigeres, als diese Ang e legenheit aus der Welt zu schaffen!«
»Ich verstehe, Bob.«
»Haben Sie ihm das Austin-Angebot unterbreitet?«
»Ja. Er will es sich überlegen.«
»Wird er es annehmen?«
»Nein, ich glaube nicht.«
»Haben Sie ihn gedrängt?«
»Ich habe ihm klarzumachen versucht, daß wir Meredith nicht im Stich lassen, sondern ihr in dieser Sache beistehen werden.«
»Allerdings!« sagte Garvin.
»Ich denke, daß ihm das klargeworden ist. Wir müssen jetzt abwarten, was er sagen wird, wenn er sich wieder bei uns meldet.«
»Er wird doch nicht etwa Anzeige erstatten, oder?«
»Dafür ist er zu klug.«
»Na, hoffentlich«, sagte Garvin gereizt und legte den Hörer auf.
S ieh dir doch die Situation an!
Sanders stand, an einen Pfeiler gelehnt, im Pioneer Park, starrte in den feinen Nieselregen und ließ das Gespräch mit Blackburn in Gedanken Revue passieren.
Blackburn war nicht einmal bereit gewesen, sich Sanders’ Version anzuhören. Blackburn hatte bereits gewußt, was geschehen war.
Sie ist sehr sexy. Es ist ganz natürlich, daß ein Mann bei einer solchen Frau die Kontrolle verliert.
Und genau das würden alle seine Kollegen bei DigiCom denken. Jeder einzelne Mitarbeiter des Unternehmens würde diese Vorstellung von den Geschehnissen haben. Blackburn hatte gesagt, es falle ihm schwer, zu glauben, daß Sanders sexuell belästigt worden sei. Auch vielen anderen würde es schwerfallen, das zu glauben.
Aber Blackburn hatte ihm gesagt, es sei völlig egal, was wirklich passiert sei. Blackburn gab ihm zu verstehen, daß Meredith über gute Beziehungen verfügte und daß kein Mensch es einem Mann abkaufen würde, er sei von einer Frau sexuell belästigt worden.
Sieh dir doch die Situation an!
Sie forderten ihn auf, Seattle zu verlassen. Die Advanced Products Group zu verlassen. Keine Optionen, keine Abfindung. Keine Gegenleistung für zwölf lange Jahre harter Arbeit. Das alles konnte er vergessen.
Austin. Glühendheiß, trocken,
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