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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Behr , Peter Hartl
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meiner Zuverlässigkeit. Weißt du, ich will in der Armee ja auch mal irgendwie weiterkommen. Außerdem bringt’s dir selbst nur Vorteile, wenn du jetzt vorhast, die Krankenpflegeschule zu wechseln. Mit Parteibuch hast du da einfach bessere Karten.«
    Trotz aller Vorzüge hatte das Wort »Partei« in meinen Ohren nach wie vor einen negativen Klang. Nicht wegen der Staatslehre, die sie propagierte, nicht einmal aus politischen Gründen. Partei stand für mich vielmehr für die häufig abwesende Mutti, die am Feierabend stets noch Papierkram abzuarbeiten oder eine der unzähligen Versammlungen zu besuchen hatte. Partei war ein Synonym für das Misstrauen, das meine Klassenkameradinnen mir in der Schule entgegengebracht hatten. Partei vertrug sich nicht mit einer
Staatsverräterin
wie meiner wahren Mama. Unwillkürlich scheute ich vor dem Aufnahmeantrag zurück und drückte mich zugleich vor einer deutlichen Absage.
    In meiner Entscheidungsnot suchte ich den Rat meiner Adoptivmutter.
    »Ich muss mal mit dir reden. Olaf fände es besser, wenn ich auch in der SED wäre«, erklärte ich ihr. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Wenn ich es nicht tue, könnte sich das negativ auf seine Karriere auswirken.«
    Betretenes Schweigen hätte ich als Reaktion am wenigsten erwartet. Insgeheim hatte ich gehofft, dass sie mich als Genossin begrüßen und mir durch ihre Anerkennung die Entscheidung erleichtern würde. Wahrscheinlich erkannte sie aber dank ihres guten Gespürs, dass mir die innere Überzeugung fehlte, und antwortete ausweichend. »Warum sollte er deshalb Ärger bekommen?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Er wird dann nicht befördert oder so …«
    »Hat er denn nichts weiter zu dir gesagt?«, hakte sie nach.
    »Nein.« Ich war verwirrt.
    »Da kann ich dir leider auch nicht weiterhelfen«, sagte die Frau, die mir sonst selbst in den Kauf meiner Kleider hineinzureden trachtete. »Du musst selbst wissen, was du tust.«
    Vati dagegen, nachdem sie ihn eingeweiht hatte, war deutlich klarer in seinem Urteil. »Katrin, lass lieber die Finger davon«, murmelte er beinahe geheimnisvoll, als wir im Garten auf das Thema zu sprechen kamen.
    Auf Anraten meiner Mutti wandte ich mich schließlich an unseren Nachbarn, einen ausgewiesenen SED -Parteigänger, der mich und die Gepflogenheiten im Apparat gut genug kannte. Während ich mit ihm, um ungestört zu bleiben, eine Fahrradtour durch das Elstertal unternahm, bestätigte er die Vermutung, dass Olaf als Politoffizier im Fall meiner Weigerung Schwierigkeiten bekommen könnte. »Eine solche Anfrage abzusagen, musst du dir vorher gut überlegen, Katrin!«, redete er mir ins Gewissen.
    Diese Aussage gab schließlich den Ausschlag, denn ich wollte alles vermeiden, was meinem künftigen Gatten Ungemach bescheren konnte. Nie wieder wollte ich andere Menschen in die Bredouille bringen, wie, so bildete ich mir ein, meine Mama am Tag ihrer Verhaftung. Das durfte sich nicht wiederholen. Das Parteibuch sollte meine Mitgift für die Ehe sein. Zumindest als Ausweis einer Karteileichenexistenz.
    »Wenn ich beitrete«, erklärte ich Olaf daraufhin tapfer, »dann nur als zahlendes Mitglied. Ich werde definitiv keine Ämter oder sonstigen Funktionen übernehmen.« So intensiv wie meine Mutti wollte ich mich der Parteiarbeit keinesfalls verschreiben.
    Zufrieden über den Kompromiss, ging ich bei nächster Gelegenheit zur Parteisekretärin unserer medizinischen Fachschule. Doch als ich ihr meinen, mir mühsam abgerungenen, Entschluss verkündete, fragte sie schlicht zurück: »Warum?« So musste ich mich tatsächlich für mein Entgegenkommen auch noch rechtfertigen. Ich berief mich auf eine Art Erbfolge als Tochter einer Parteigenossin.
    Außerdem sollte ich zwei zuverlässige Bürgen aufbieten, die die Ernsthaftigkeit meiner Entscheidung für die SED bezeugten. Am Ende dieser Prozedur hielt ich das rote Büchlein als Ausweis meiner Parteizugehörigkeit in der Hand und zahlte meinen ersten Mitgliedsbeitrag. Damit war für mich die Angelegenheit erledigt. Doch ich hatte meine politische Unschuld verloren.
    Die Zugehörigkeit zur staatstragenden Einheitspartei brachte in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre nicht mehr nur Vorteile. Bei den meisten Schwesternschülerinnen, besonders wenn sie meine persönlichen Beweggründe nicht kannten, war ich seit diesem Schritt unten durch.
    Aber diese Ausbildungsstätte betrachtete ich ohnehin nur noch als Durchgangsstation. Meinem Aufstieg zur Ehefrau

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