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ENTSEELT

ENTSEELT

Titel: ENTSEELT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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verleihen oder zukommen lassen kann. Aber ich werde dir später erklären, wie man Feuer mit Feuer bekämpft. Das hilft vielleicht, wenn du die Hitze ertragen kannst.
    Harry hatte sich jetzt mehr oder weniger mit seinem Schicksal abgefunden. »Faethor, ich frage mich, ob ich dir dankbar sein werde, wenn wir das hier hinter uns gebracht haben? Werde ich dir überhaupt genug danken können? Oder werde ich dich in alle Ewigkeit verfluchen, und wird es dann überhaupt Flüche geben, die dir angemessen sind? Es kann ja sein, dass du selbst jetzt noch versuchst, mich zu vernichten, wie du alles andere vernichtest hast, das du je berührt hast. Doch so wie es aussieht, habe ich keine Wahl.«
    Das stimmt nicht so ganz, Harry, erwiderte Faethor. Ich habe zwar einiges zerstört, aber ich habe auch einiges geschaffen. Und es ist auch nicht richtig, dass du keine Wahl hast. Im Gegenteil scheint mir deine Wahl ganz einfach: Du kannst mir jetzt als einem treuen und langjährigen Verbündeten trauen, oder du gehst wieder und wartest, bis Janos dich aufgespürt hat. Und dann kannst du dich ihm wie ein Kind entgegenstellen, nackt und schutzlos all seinen Tricks und Listen ausgeliefert.
    »Hören wir auf mit dem Gerede. Wir wissen beide, dass mir nur ein Weg offen steht. Verschwenden wir also nicht noch mehr Zeit.«
    Schlafe, raunte Faethor also. Seine geistige Stimme hallte tief und dunkel wie ein bodenloser, blutgefüllter Tümpel. Schlafe einen traumlosen Schlaf, Harry Keogh, und lass dabei all die Tore zu deinem Geist offen für mich. Schlafe, und lass mich hineinsehen. Ja, und auch wenn du mich aus freien Stücken hineinlässt, werde ich doch einige Türen finden, die mir verschlossen sind – ebenso wie dir! Dies sind die Türen, die ich aufsperren muss. Denn hinter ihnen liegen all die Fähigkeiten, die dein Sohn deinem Zugriff entzogen hat.
    Schlafe, Harry. Du und ich, wir sind die Betrogenen, verraten von unserem eigenen Fleisch und Blut. Wenigstens das haben wir gemeinsam. Nein, sogar mehr als das, denn zu unserer Zeit waren wir beide wer. Und du ... wirst ... wieder ... jemand ... sein ..., Haaarrry Keeeooogh!
    Der Nebel auf der Ebene zerfloss, als Faethor sich aufrichtete und auf Harry zuschwebte, der zusammengesunken auf der zerfallenen Mauer lag. Der vor langer Zeit verstorbene Vampir streckte eine Hand nach Harrys Gesicht aus. Die Hand war weiß und skelettiert, und die Finger ragten aus dem zerschlissenen Ärmel seiner Robe wie ein Bündel dünner Stöckchen. Die knochigen Gliedmaßen berührten Harrys Stirn und versanken in seinem Schädel.
    Und die rubinroten Flammen in Faethors Augenhöhlen verglommen, und ihr Licht leuchtete hinter Harrys geschlossenen Augenlidern wieder auf, wie rote Kerzen hinter Milchglas. Und dann lagen Harrys größten Geheimnisse offen vor dem Vampir: seine Gedanken und Erinnerungen und Leidenschaften, sein ganzes Selbst.
    Nach einer Zeit, in der nur Sekunden, aber genauso gut auch Jahrtausende vergangen sein konnten, sprach Faethor: Wach auf!
    Harry erwachte aus seinem Traum mit einem Niesen; und er nieste sofort noch einmal, als ihm klar wurde, dass er wirklich wach war. Er wandte den Kopf in seinem Schlafsack von einer Seite zur anderen, da erklang ein weiches, platzendes Geräusch dicht neben ihm. Im schwachen Licht der Dämmerung sah er einen Kreis kleiner schwarzer Pilze, die in der Nacht neben seiner Bettstatt hochgeschossen waren. Sie verrotteten bereits wieder, platzen bei der geringsten Bewegung auf und verteilten ihre Sporen in pfeffrigen Wolken. Harry nieste erneut und setzte sich auf. Einen Moment lang stand sein Traum klar vor seinem inneren Auge, löste sich aber schon wieder auf, wie Träume das so an sich haben. Er versuchte, sich daran zu erinnern, aber da war er schon verflogen. Er wusste, dass er sich mit dem Geist von Faethor Ferenczy unterhalten hatte, doch das war auch alles. Falls etwas zwischen ihnen vorgefallen war, konnte er sich nicht mehr daran erinnern. Auf jeden Fall fühlte er sich nicht anders als zu dem Zeitpunkt, als er sich schlafen gelegt hatte.
    Ach?, meinte Faethor. Bist du dir da wirklich sicher, Harry Keogh?
    »Mein Gott!«, stieß Harry hervor und zuckte heftig zusammen. »Wer ...?« Er sah sich um, aber niemand war zu sehen.
    Hast du etwa gedacht, ich würde dich enttäuschen?, fragte Faethor.
    »Ich kann wieder mit den Toten sprechen!«, flüsterte Harry.
    Ich habe dir diese Fähigkeit zurückgegeben. Da, jetzt siehst du, dass Faethor Ferenczy sein

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