ENTSEELT
Kohlebecken, die noch die Asche einstiger Feuer enthielten.
Aber bevor er sich mit diesen Gegenständen noch weiter beschäftigen konnte, selbst wenn er das überhaupt gewollt hätte, säuselte die gurgelnde Stimme in seinem Kopf: Dumiiitruuu, sag es mir: Hat es dich je gedürstet? Bist du je durch eine trockene Wüste gewandert, ohne ein Zeichen oder den Anblick von Wasser? Hat sich je deine Kehle bei jedem Atemzug zu einem pochenden Klumpen zusammengezogen? Wahrscheinlich hast du dich schon einmal trocken wie Salz gefühlt, was dir ein wenig helfen könnte, dich in meine jetzige Lage hineinzuversetzen. Aber nur unvollkommen. Sicher warst du noch nie so trocken wie Salz. Wenn ich dir doch nur meinen Durst beschreiben könnte, mein Sohn!
Doch genug davon. Ich bin mir sicher, dass du etwas von meiner Kunst begriffen hast, von meinen Zielen, meiner Macht und meinem Schicksal; und du wirst verstehen, dass meine Bedürfnisse weit wichtiger sind als alltägliche Dinge und gewöhnliche Leben. Und jetzt ist es Zeit, dich in das letzte Geheimnis einzuweihen, bei dem wir beide die unbeschreiblichsten Ekstasen erleben werden. Der große Kamin, Dumiiitruu, geh hinein.
In den Kamin gehen, in einen Schornstein? Dumitru sah die schwarze Höhle und fühlte den Drang, davor zurückzuweichen, aber das konnte er nicht. Aus groben Klötzen behauen, war das feuergeschwärzte Loch gerade mal etwas über einen Meter breit und anderthalb Meter hoch, ein gotischer Bogen wie all die Durchgänge in den Gewölben; er musste sich nur ein wenig bücken, um hineinzugehen. Bevor er das tat, entzündete er eine weitere Fackel – eine Handlung, die Janos Ferenczy als Zeichen des Zögerns deutete. Beeil dich, Dumiiitruu , drängte ihn die säuselnde Stimme voran, denn selbst in der Auflösung – nein, gerade in aufgelöstem Zustand –, kann mein Verlangen nicht warten. Es ist so stark, dass ich das nicht ertrage.
Dumitru stieg in den Kamin und hielt seine Fackel hoch, um seinen Weg zu beleuchten. Über ihm stieg ein breiter, rußgeschwärzter Abzug empor, der allmählich im Felsgestein verschwand. Der Junge hielt die Fackel zur Seite und spähte nach Licht von oben, sah aber nur Dunkelheit. Das war nicht verwunderlich, denn auf seinem Weg durch den Fels zur Oberfläche würde der Schornstein wohl nicht gerade verlaufen, und natürlich würde er oben blockiert sein, wo die oberen Stockwerke eingestürzt waren.
Dumitru zog die Fackel wieder zu sich heran und erkannte eiserne Leitersprossen an der schräg ansteigenden Rückwand des Kamins. Als er noch genutzt worden war, musste der Schornstein auch von Zeit zu Zeit gereinigt worden sein. Und doch gab es keine ausgeprägten Rußablagerungen, wie man sie eigentlich erwarten sollte; die Wände waren zwar leicht geschwärzt, aber sonst schien der Schornstein so gut wie unbenutzt.
Oh, er ist schon benutzt worden, mein Sohn. Die geistige Stimme des Janos Ferenczy kicherte obszön.
Du wirst schon sehen! Du wirst schon sehen! Aber geh zuerst ein Stück zur Seite. Bevor du hinaufsteigst, gibt es andere, die herunterkommen müssen. Kleine Diener von mir, kleine Freunde ...
Dumitru drückte sich gegen die Seite des Kamins. Er hörte ein Rauschen, das im Schornstein widerhallte und zu einem gewaltigen Brausen gesteigert wurde, und dann stieß eine Kolonie kleiner Fledermäuse, deren herabstürzende Körper eine fast kompakte Masse bildeten, aus dem Abzug heraus und verteilte sich in den unterirdischen Kavernen. Das ging geraume Zeit, bis Dumitru schon meinte, es würde kein Ende mehr nehmen. Aber dann ließ das Dröhnen in dem Schornstein nach, ein paar Nachzügler schossen noch an ihm vorbei und alles war wieder still.
Jetzt steig hinauf , befahl der Ferenczy, wobei er den Griff um den Verstand seines willenlosen Sklaven wieder verstärkte.
Die Sprossen waren breit und flach und fest in einem Abstand von dreißig Zentimetern in den Mörtel zwischen den Mauersteinen eingesetzt. Dumitru stellte fest, dass er seine Fackel halten und nur mit seinen Füßen und einer Hand trotzdem bequem klettern konnte. Nach neun oder zehn Sprossen verengte sich der Schornstein, und nachdem er noch einmal eine ähnliche Entfernung zurückgelegt hatte, knickte er in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel ab. Er bildete jetzt so etwas wie einen aufwärtsführenden Gang. Ein paar Meter weiter hörten die Sprossen auf. Stattdessen gab es hier flache, breite Stufen. Danach wurde der Boden endgültig ebenerdig, und die Decke hob
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