ENTSEELT
den Wamphyri? Was weiß überhaupt jemand über sie?
Aber Harry ignorierte ihn und sperrte ihn aus. Er richtete seine Gedanken auf Halmagiu, zum dortigen Friedhof. Und von da aus hinauf in das alte zerstörte Schloss in den Bergen ...
Schwarze rumänische Fledermäuse glitten zu Dutzenden über sie hinweg und eskortierten die klingelnde Reihe von Pferdewagen durch die ansteigenden, nebelverhangenen transsilvanischen Wiesen und Wälder. Dann und wann wurde eine von ihnen sichtbar, wenn sie das schwankende, flackernde Licht einer der Lampen passierte. Fledermäuse gleicher Art flogen auch über die zerfallenden Mauern und Wälle des Schlosses Ferenczy.
Janos war dort, eine dunkle Silhouette auf einer Klippe, die über das Tal hinausragte. Als wäre er selbst eine große Fledermaus, schnüffelte er in die Nacht und betrachtete zufrieden den Nebel, der sich wie Milch über die Täler gelegt hatte. Der Nebel gehörte ihm, so wie die Fledermäuse und die Szgany Zirra. Und auf seine Art hatte Janos alle drei für sich eingesetzt. »Meine Leute haben ihn«, sagte er, als müsste er sich das in Erinnerung rufen. Es war ein Satz, den er den ganzen Nachmittag und die ganze Nacht ständig wiederholt hatte. Er drehte sich zu seinen Vampir-Sklaven um, zu Sandra und Ken Layard, und sagte es noch ein weiteres Mal: »Sie haben den Necroscopen und werden ihn zu mir bringen. Er ist betäubt, und das ist wohl auch der Grund, warum ihr ihn nicht orten und seine Gedanken nicht lesen könnt. Denn eure Fähigkeiten sind doch nur armselige Werkzeuge mit deutlichen Mängeln.«
Aber noch während Janos sprach, zuckte der Lokalisierer plötzlich zusammen. »Da«, keuchte Layard. »Da ... da ist er!«
Janos ergriff ihn am Arm. »Wo ist er?«
Layards Augen waren geschlossen, er konzentrierte sich. Sein Kopf drehte sich langsam und beschrieb einen Suchradius, der die Berghänge und schließlich auch das Dorf unter ihnen einschloss. »Er ist in der Nähe«, sagte er. »Da unten. In der Gegend von Halmagiu.«
Janos’ Augen leuchteten auf wie Lampen, bei denen der Docht plötzlich hoch aufgedreht wird. Er sah Sandra an: »Nun?«
Sie klinkte sich auf Layards Suchstrahl ein und folgte der Peilung. »Ja«, sagte sie und nickte langsam. »Er ist da.«
»Und seine Gedanken?«, drängte Janos. »Was denkt der Necroscope? Ist es so, wie ich vermutet habe? Fürchtet er sich? Oh ja, er hat seine Fähigkeiten, dieser Mann, aber welchen Nutzen haben esoterische Fähigkeiten gegen reine Muskelkraft? Er spricht zwar mit den Toten, aber meine Szgany sind noch sehr lebendig!« Und für sich dachte er: Ja, er spricht mit den Toten. Sogar mit meinem Vater, den er von Zeit zu Zeit in seinem Verstand beherbergt. Und das bedeutet, dass der Mistkerl mich genauso gut kennt, wie ich ihn kenne! Ich kann nicht ruhen. Dies wird erst dann zu Ende sein ... wenn es zu Ende ist. Vielleicht sollte ich dafür sorgen, dass sie ihn sofort umbringen, und ihn dann nach meinem Gusto wieder zum Leben erwecken. Aber wo läge darin der Ruhm, die Befriedigung? Das ist nicht der richtige Weg, nicht wenn ich ein Wamphyri sein will! Ich muss derjenige sein, der ihn tötet, und dann werde ich ihn auferstehen lassen, damit er mir als seinem Meister dienen muss!
Sandra hielt sich an Layards Arm fest und konzentrierte sich auf die von Harry ausgehenden Gedanken. Im nächsten Augenblick schreckte sie vor dem Lokalisierer zurück und prallte gegen Janos. Er ergriff sie und hielt sie aufrecht. »Was ist los?«
»Er ... er spricht mit den Toten!«
»Mit welchen Toten? Wo?« Seine Wolfskiefer standen erwartungsvoll offen.
»Auf dem Friedhof von Halmagiu«, keuchte sie. »Und hier oben in deinem Schloss.«
»Halmagiu?« Die Falten in seiner Fledermausschnauze zuckten. »Die Leute im Dorf haben mich seit Jahrhunderten gefürchtet, auch als ich nur Staub in einer Urne war. Da ist für ihn nichts zu holen. Und die Toten in meinem Schloss? Das sind in erster Linie Zirras.« Er stieß ein schreckliches Lachen hervor, in dem vielleicht auch ein wenig Nervosität mitschwang. »Sie haben ihr Leben für mich gegeben, und jetzt, wo sie tot sind, werden sie bestimmt nicht auf ihn hören. Er verschwendet seine Zeit.«
Sandra war trotz ihrer Vampirkräfte immer noch erschüttert. »Er ... er hat mit sehr vielen Leuten geredet, und das waren keine Zigeuner. In ihrer Zeit waren sie fast alle Krieger. Ich habe nur ein leises Flüstern von ihren toten Existenzen empfangen können, aber jeder von ihnen
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