ENTSEELT
Nichos Dakaris’ heisere Stimme hinter ihr her, während sie in der Nacht verschwand: »Lass sie leben, mein Mädchen! Bring sie hierher zu mir, wo ich ihr Geld sehen kann!« Darauf folgte heiseres Gelächter und dann wieder die Bouzouki-Musik.
Pavlos Themelis setze sich dem Mann, den er als Jianni Lazarides kannte, gegenüber. Der Stuhl knackte unter ihm, als er sich darauf sinken ließ und die Ellbogen auf den Tisch legte. Er trug seinen spitzen Kapitänshut schräg auf dem Kopf, was ihm seiner Meinung nach die unwiderstehliche Aura eines Piraten verlieh. Es war keine schlechte Tarnung: Niemand würde vermuten, dass jemand, der so offensichtlich dem Klischee eines Halsabschneiders entsprach, tatsächlich ein Halsabschneider sein konnte. »Nur ein Glas, Jianni?«, tönte er. »Du trinkst wohl lieber alleine, was?«
»Du bist spät dran.« Janos war nicht zu Scherzen aufgelegt.
Themelis’ erster Maat, ein kleiner, gedrungener Mann, war am Ende der Treppe geblieben, von wo aus er den ganzen Raum überblicken konnte. Jetzt rief er zu Dakaris hinunter: »Nichos! Gläser und eine Flasche Branntwein. Aber vom Guten, parakalo!« Dann nahm er einen Stuhl und trug ihn zu dem Tisch am Fenster hinüber. Als er sich setzte, fragte er Themelis: »Und? Hat er eine gute Erklärung?«
Janos’ Augen hinter den dunklen Brillengläsern verengten sich zu Schlitzen: »Ach? Gibt es etwas, das ich erklären müsste?«
»Na komm, Jianni!«, schalt Themelis. »Es war abgemacht, dass du heute Morgen im Hafen zu uns auf das Schiff kommen solltest. Es war keine Rede davon, dass du auf deinem eleganten weißen Schiff an uns vorbeidonnerst, als hätte dich eine Hummel in den Arsch gestochen. Laut Plan sollten wir längsseits gehen, und du wolltest rüberkommen und dir den Stoff ansehen, von dem für dich auch ein Kilo da ist, wenn du Verwendung dafür hast, und dann sollten wir dein Scherflein zur Finanzierung der Operation im Namen unserer gemeinsamen Sponsoren in Empfang nehmen. Ein Zeichen des gegenseitigen Vertrauens, wie es so schön heißt. Das war der Plan, und du hattest ihm zugestimmt. Aber so ist es nicht gekommen!« Seine fröhliche Miene verdüsterte sich plötzlich, und sein Ton wurde schärfer. »Und später, als die alte Samothraki angedockt hat und ich mich noch fragte, was dieser verdammte Mist soll, da kriege ich die Nachricht, dass wir uns stattdessen heute Abend hier treffen! Und jetzt sag noch mal, dass es da nichts zu erklären gibt.«
»Die Erklärung ist ganz einfach!«, bellte Janos zurück. »Es ist nicht wie geplant gelaufen, weil wir beobachtet wurden. Von Leuten an der Hafenmauer. Leuten mit Ferngläsern! Polizisten!«
Themelis und sein Stellvertreter sahen sich einen Moment lang an, dann drehten sie sich wieder zu Janos. »Polizisten, Jianni? Bist du dir da sicher?«
»Ja.« Janos konnte das behaupten, denn er hatte die Bestätigung direkt von dem britischen Gedankendieb erhalten. »Ich bin mir sicher. Es gibt keinen Zweifel. Und ich weise euch darauf hin, dass ich bei dieser Unternehmung von Anfang an darauf bestanden habe, völlig im Hintergrund zu bleiben und mit der Ausführung nichts zu tun zu haben. Ich kann es mir nicht leisten, in irgendeine Untersuchung oder eine Strafsache verwickelt zu werden! Ich dachte, das sei deutlich geworden.«
Themelis’ Augen verdüsterten sich, und er verzog den Mund zu einer spöttischen Bemerkung, wendete dann aber das bärtige Gesicht ab, als Nichos Dakaris die Treppe hochstapfte.
»Na endlich!«, grunzte Themelis’ untersetzter Genosse, während Dakaris die Gläser und den Branntwein auf den Tisch knallte. »Was war los, Nick? Musstest du jemanden losschicken, um etwas zu besorgen, das man auch trinken kann?«
»Sehr komisch!«, gab Dakaris über die Schulter zurück, als er ging. »Aber das ist schon gar nicht mehr so komisch, wenn man bedenkt, dass einige meiner Kunden mich tatsächlich bezahlen! Ich habe nichts gegen Freunde, aber Kunden, die nicht zahlen und mich dann auch noch beleidigen ...?« Damit war er wieder nach unten verschwunden.
Themelis hatte die Unterbrechung genutzt, um sich wieder zu sammeln. »Es ist nicht ungewöhnlich, wenn wir von der Polizei beobachtet werden. Jeder wird von der Polizei beobachtet. Du musst nur die Nerven behalten und darfst nicht in Panik geraten.«
»Ich kann sehr gut die Nerven behalten«, erwiderte Janos. »Aber wenn ich mich nicht irre, befindet sich an Bord der Samothraki Kokain im Wert von zehn Millionen
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