ENTWEIHT
hatte das kurze Gespräch mitbekommen und in Liz’ Stimme etwas bemerkt, das ihm sagte, dass dies nicht die ganze Wahrheit war. Sein Gesichtsausdruck war besorgt. »Liz?«
Doch Manolis redete noch immer auf sie ein. »Ich glaube, da müsstest du schon ganz schön Glück haben. Die ›Christos Appartements‹ sind zehn, zwölf Kilometer entfernt. Trotzdem, wenn das Teleskop die Distanz reduziert, sagen wir auf ...«
»Liz!«, sagte Trask erneut, eindringlicher diesmal.
Als er ihr die Hand auf den Ellenbogen legte, ließ sie von dem Teleskop ab. Sie wandte sich um und blickte ihn an. Manolis, der dicht daneben stand, kam der Ausdruck auf ihrem Gesicht seltsam herausfordernd vor. Doch mittlerweile fielen auch ihm, nicht anders als Trask, die immer dunkler werdenden Ringe um ihre Augen auf. Und mit einem Mal begriff er.
Hoch erhobenen Hauptes sagte Liz, indem sie sich aufrichtete: »Na, wollt ihr – du und das E-Dezernat – mich für den Rest meines Lebens in Watte packen? Drüben in Australien hast du dir nicht so viele Sorgen um mich gemacht, da hast du uns, Jake und mich, gleich ins kalte Wasser geworfen. Also, was ist jetzt anders?«
»Liz!« , knurrte Trask warnend. »Bist du noch bei Sinnen? Du weißt ganz genau, was jetzt anders ist. Australien hat alles verändert. Und ich habe dich keineswegs ins kalte Wasser geworfen, jedenfalls nicht wirklich. Ian hatte vorhergesehen ...«
»Dass wir da wieder heil herauskommen würden, ich weiß«, schnitt Liz ihm das Wort ab. »Wenn du so viel Vertrauen in das Talent des Hellsehers setzt, weshalb dann nicht auch in meines?«
Trask packte sie bei den Schultern. »Weil Malinari bei Ian nicht einfach so zurückschlagen kann, deshalb! Weil er sein Talent nicht zu seinem Ursprung zurückzuverfolgen vermag! Und weil dieser dreckige, Blut saugende Bastard … weil er mir einfach schon zu viel genommen hat, was ich liebte, wofür ich lebte. Zu viele Leben, Liz – die Leben anderer, und zu viel von meinem Leben, dafür werde ich bis in alle Ewigkeit bezahlen – und ich werde nicht zulassen, dass er sich deines auch noch nimmt!«
Liz wusste, was er meinte. Er fing eben erst an, über Zek hinwegzukommen – hinwegkommen, ja, aber es würde ihm niemals gelingen, diese Sache zu vergessen, solange Malinari am Leben war. Und nun befand sich wahrscheinlich auch noch Millicent Cleary in Gefahr. Dies vermochte Liz so deutlich in Trasks Gedanken zu lesen, als hätte er es laut ausgesprochen. Zwar nicht die ganze Geschichte, aber doch seine offenkundige Sorge. Und auch seine Sorge um sie, Liz, war unmissverständlich.
Sie brauchte Trask bloß in die Augen zu blicken, um zu erkennen, dass dies der Wahrheit entsprach, so als funktioniere sein Talent in beide Richtungen:
Er hatte Zek verloren … Millicent Cleary war verzweifelt bemüht, diese Lücke auszufüllen und ihm beizustehen, damit er sein Leben wieder in den Griff bekam, und es war ihr schon fast gelungen … und nun war Liz so etwas wie eine kleine Schwester für Trask, die Rolle, die zuvor Millie eingenommen hatte. Natürlich machte er sich Sorgen um sie.
Liz fühlte sich noch immer ein bisschen verletzt, doch nun, da sie wusste, welchen Schmerz Trask empfand, lockerten sich ihre Schultern allmählich und die Anspannung wich von ihr.
Noch ein, zwei Sekunden, und es tat ihr leid. Sie entschuldigte sich zwar nicht gerade, aber immerhin war sie bereit zu einer Erklärung. »Es ist so verdammt frustrierend!«, platzte es aus ihr heraus. »Und, ja, ich weiß, dass dir die Ringe unter meinen Augen aufgefallen sind. Ich habe sie immer, nur jetzt umso ärger, weil ich den ganzen Vormittag damit verbrachte, meine Gedanken durch jeden kleinen Ort und jeden Weiler schweifen zu lassen, durch den wir gekommen sind, seit wir die ›Christos Appartements‹ verließen. Nicht um mich deinen Anweisungen zu widersetzen, Ben, nicht wirklich, sondern weil ich vermutete, du hättest uns – na ja, nicht unbedingt für nichts und wieder nichts losgeschickt, aber du bist auch nicht gerade davon ausgegangen, dass wir im Westteil der Insel auf irgendwelche größeren Schwierigkeiten stoßen würden. Und du hattest recht – da ist absolut nichts. Irgendjemand musste es tun, ich weiß, also war es keine völlige Zeitverschwendung, aber ...«
»Du hast den Eindruck, ich hätte bessere Verwendung für dein Talent finden können«, warf Trask ein und ließ ihre Schultern los.
Mittlerweile waren die anderen herangekommen, um nachzusehen, was los
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