Envy-[Neid]
sie, abgesehen von wenigen Ausnahmen in seinem oder ihrem Büro hinter verschlossenen Türen, nie übertrieben miteinander geturtelt. Im Beisein von Mitarbeitern hatten sie stets professionelles Verhalten an den Tag gelegt. Folglich bemerkte bei Matherly Press niemand die frostige Atmosphäre zwischen ihnen.
Um ein paar Sachen zum Wechseln zu holen, fuhr er zu einem Zeitpunkt in die gemeinsame Wohnung, zu dem sie sich dort nicht aufhielt. Dass er alles noch so wie beim Verlassen vorfand, überraschte ihn nicht. Maris hatte Maxine nicht zum Einpacken seiner Sachen kommen lassen. Nie hätte sie der loyalen Haushälterin ihres Vaters das Geheimnis ihrer Trennung anvertraut. Die schlechte Nachricht wäre sofort von Maxine an Daniel weitergegangen, und davor wollte Maris Daniel unter allen Umständen bewahren. Der alte Mann sollte sich keinesfalls Sorgen wegen ihrer Eheprobleme und deren schädlicher Auswirkung auf den Verlag machen.
Nichts ahnend nahm Daniel weiterhin Noahs Anrufe entgegen, während Noah ihn wie immer am späten Nachmittag zu einem Gespräch über die Tagesereignisse besuchte. Die Beziehung zu seinem Schwiegervater blieb unerschüttert. Maris litt stumm und einsam, was sie sich allerdings gänzlich selbst zuzuschreiben hatte. Nie hätte sie ihm gegenüber diese arrogante Haltung einnehmen dürfen. Sie hätte zweimal nachdenken sollen, ehe sie ihm ein Ultimatum stellte, das letztlich nur sie selbst lächerlich machen würde.
Mit Wonne dachte er daran, wie sie rastlos umhertigerte und ihren gedankenlosen Wutausbruch bedauerte und dabei absolut niemanden hatte, dem sie sich anvertrauen konnte. Jedes Mal, wenn er sich vorstellte, wie sie sich in ihrer einsamen selbstverschuldeten Qual wälzte, lächelte er.
Dennoch war Noah nach ein paar Tagen die Situation leid und überlegte, ob er nicht als Erster an Maris herantreten und diese alberne Lage beenden sollte. Trotzdem beschloss er stur, sie volle sieben Tage schmoren zu lassen, bevor er auf sie zuging.
Weinend würde sie ihn beschimpfen und beschwören. Wie könne er sie nur so schrecklich verletzen, während sie doch absolut nichts getan habe, womit sie das verdiente. Er würde ihr Gelegenheit geben, Dampf abzulassen. Anschließend würde sie ihm gnädig verzeihen. Daran bestand kein Zweifel.
Dem alten Mann zuliebe würde sie ihm vergeben. Denn mit einem konnte man bei Maris immer rechnen: dass sie Daniel jeden Kummer ersparte. Sie würde ihm vergeben, weil das Frauen nun mal gerne tun, um anschließend dem Übeltäter jeden Tag seines restlichen Lebens zur Hölle zu machen. So würde seine Zukunft selbstverständlich nicht aussehen. Dass Maris das so für ihn geplant hatte , mutmaßte er trotzdem. Doch wegen seines Deals mit WorldView würde er derzeit nichts tun, um sie darüber aufzuklären. Das käme später.
Inzwischen hatte die vorübergehende Trennung durchaus gute Seiten. Während Maris nicht mit ihm sprach, musste er sich wenigstens nicht ihre Nörgelei anhören.
Mit Nadia war das allerdings etwas ganz anderes. Ununterbrochen bohrte sie in ihn, er solle sich von Maris scheiden lassen. Ihre Hartnäckigkeit wurde ihm allmählich lästig und führte zu Spannungen zwischen ihnen, die ironischerweise am letzten Tag seiner von ihm selbst gesetzten Deadline kulminierten.
Sie hatten sich in einem unverschämt teuren In-Lokal im Norden Manhattans mit einem der Bestsellerautoren von Matherly Press zum Lunch verabredet. Nadia sollte ihn für ihre »Plaudereien rund ums Buch« interviewen. Als sie sich vorab Cocktails bestellten, war der Schriftsteller noch nicht eingetroffen.
Für die übrigen Gäste, darunter viele aus der Verlagsbranche, sah es aus, als unterhielten sie sich angeregt über die neuesten Markttrends oder über jenes Science-Fiction-Phänomen, das die Spitzenplätze aller Bestsellerlisten gestürmt und damit die Buchwelt erschüttert hatte. In Wahrheit stritten sie miteinander über ihre unmittelbare Zukunft.
»Sie weiß über uns Bescheid. Warum also warten? Reich jetzt die Scheidung ein und bring’s hinter dich.«
»Ich kann die Familie erst verlassen, wenn der Deal mit WorldView niet und nagelfest ist«, widersprach er.
»Was hat das eine mit dem anderen zu tun?«
»Nadia, das ist eine unglaublich dumme Frage.«
Diese Beleidigung ließ Nadias Lächeln festfrieren.
Andernorts wäre sie wahrscheinlich wie der Vesuv explodiert, doch so nippte sie lediglich lässig an ihrem Martini, strich die gestärkte Leinenserviette auf
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