Enwor 4 - Der steinerne Wolf
Zentnern Gewicht. Ein dumpfes, qualvolles Stöhnen entrang sich seiner Brust, als Skar und Herger ihn ächzend über das Schlachtfeld trugen. Die Wunde an seiner Seite brach wieder auf und hinterließ eine unregelmäßige Spur roter Tropfen im Schnee.
Herger taumelte vor Anstrengung, als sie endlich die verkohlte Wagenburg erreichten und den Quorrl wieder in den Schnee sinken ließen. Hergers Atem ging pfeifend, und sein Blick glitt immer wieder über die gewaltige graue Gestalt zu seinen Füßen.
Skar richtete sich auf, atmete ein paarmal tief ein und wartete, bis seine Hände zu zittern aufhörten. Das Gewicht des Quorrl hatte seine Kräfte fast überstiegen.
»Wir müssen ... ein Feuer entzünden«, sagte er schweratmend. »Such Holz. Und hol unsere Pferde hierher. Ich werde mich inzwischen um seine Wunden kümmern.«
Herger nickte und fuhr so rasch herum, daß es beinahe an eine Flucht grenzte. Er schien froh zu sein, wenigstens für kurze Zeit die Nähe des Schuppenkriegers meiden zu können.
Skar sah ihm kopfschüttelnd nach. Herger haßte den Quorrl nicht wirklich, das spürte Skar. Aber er schien halb von Sinnen vor Furcht zu sein. Die Quorrl waren berüchtigt für ihre Grausamkeit, auch wenn das, was grausam erscheinen mochte, in den meisten Fällen wohl nur Ausdruck einer vollkommen fremden Lebensart war. Selbst Skar konnte sich eines unguten Gefühles nicht erwehren, als er den graugeschuppten Riesen betrachtete.
Er kniete erneut neben dem Quorrl nieder, bettete ihn mühsam in eine einigermaßen bequeme Lage und machte sich daran, seine Wunden zu untersuchen. Viel war es nicht, was er tun konnte — die Verletzungen, jede für sich, hätten den Quorrl eigentlich umbringen müssen. Es grenzte an ein Wunder, daß er überhaupt noch am Leben war. Skar war sicher, daß das Wesen die Nacht nicht überstehen würde. Selbst ein ausgebildeter Heiler wäre hier wohl machtlos gewesen. Sein Schädel war zertrümmert und wurde wahrscheinlich nur noch durch den zerbrochenen Helm zusammengehalten, und die Wunde an seiner Seite — ein Speerstich, wie Skar bei näherer Betrachtung feststellte — war bereits brandig.
Nein — der Quorrl würde sterben, schon bald.
Skar sah sich ungeduldig nach Herger um, nahm nach kurzem Zögern seinen Mantel von den Schultern und breitete ihn über dem Quorrl aus — eine Geste, die allenfalls symbolische Bedeutung haben konnte; der Quorrl hatte einen Tag und vielleicht eine Nacht im Schnee gelegen und mußte bis auf die Knochen ausgekühlt sein.
Skar stand auf, bewegte die Finger, um das brennende Prickeln zu vertreiben, und begann Holz zu sammeln. Als Herger mit den Pferden zurückkam, hatte Skar bereits einen ansehnlichen Stapel zusammengetragen. Herger warf ihm wortlos die Satteltasche mit dem Verbandszeug zu und band die Pferde an ein zerbrochenes Wagenrad. Danach machte Herger sich daran, das Feuer zu entzünden, während Skar erneut zu dem Quorrl hinüberging. Ihr Verbandszeug war auf einen kleinen Rest zusammengeschmolzen; kaum genug, um eine einzige der Wunden des Quorrl zu versorgen. Aber Skar fand eine Salbe, die wenigstens für kurze Zeit die Schmerzen des Verwundeten lindern würde. Behutsam schmierte Skar sie auf die Wundränder, jederzeit bereit, zurückzuspringen, falls sich der Quorrl regen würde. Aber das Wesen erwachte nicht, auch nicht, als Skar den Pfeil aus seiner Schulter zog und die Wunde mit einem schmalen Streifen Verbandszeug versorgte.
Herger trat zu ihm, als er das Feuer entfacht hatte. Zwischen seinen Brauen zeigte sich eine mißbilligende Falte, als er sah, was Skar getan hatte. »Hoffentlich denkst du daran, daß wir das Verbandszeug selbst noch brauchen könnten«, murrte er.
Skar schwieg. Herger hatte seinen ersten Schrecken überwunden, und seine Unsicherheit schlug nun in Aggressivität um.
»Reine Verschwendung«, fuhr er fort, als Skar nicht antwortete. »Es wäre menschlicher, wenn du dein Schwert nehmen und ihn er-
lösen würdest.«
Skar legte seinen Mantel wieder über den Quorrl, sah sich suchend um und
zog
schließlich ein halbverkohltes Stoffbündel aus den Trümmern hervor, um es wie ein Kissen unter den Nacken des Quorrl zu schieben. »Ich will wissen, was hier geschehen ist«, sagte er. »Und dieser Quorrl kann es uns vielleicht noch sagen.« Herger gab ein abfälliges Geräusch von sich. »Sei kein Narr, Skar«, sagte er. »Wenn er überhaupt noch einmal zu sich kommt, dann wird er versuchen, uns umzubringen, das
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