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ePub: Ashes, Ashes

ePub: Ashes, Ashes

Titel: ePub: Ashes, Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Treggiari
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erklärte. Anscheinend musste man zum Bogenschießen ziemlich viel Ahnung von Physik haben.
    »Und? Kommt der Wind aus einer günstigen Richtung?«, wollte sie wissen.
    Aidan nickte. »Von hinten. Wir müssen also nicht mit Seitenböen rechnen.«
    Del stieß ein leises, höhnisches Kichern aus und nahm Lucy den Pfeil ab. Sie wog ihn in der Hand und prüfte sein Gewicht.
    »Du peilst, du zielst, du schießt«, sagte sie und setzte sich zwischen Aidan und Lucy. Platz war da eigentlich nicht gewesen, trotzdem hatte sie es irgendwie geschafft. Sie warf Lucy einen triumphierenden Blick zu und Lucy rutschte ein Stück nach rechts. Sie konkurrierte nicht um Aidan. Sie war sich gar nicht mal darüber im Klaren, wie sie überhaupt zu ihm stand. Del hingegen hatte ihre Gefühle ziemlich deutlich gemacht, und seitdem nahm Lucy sich vor ihr in Acht.
    Es war nicht zu übersehen, dass Del mit ihrem Körper Aidans Nähe suchte. Ihre Schenkel drückten an sein Bein, ihr gebräunter Arm lag nur wenige Zentimeter neben seinem. Auf einem Wangenknochen hatte Del eine violette Beule, und dort, wo die Sweeper ihr Kunststoffhandschellen angelegt hatten, war ihre Haut aufgerissen, ansonsten aber hatte sie keine Verletzungen. Lucy fragte sich, wie sie den Sweepern hatte entkommen können – denn das war bishernoch niemandem gelungen. Sie öffnete ihren Mund, um Del zu fragen, ließ es aber, weil Del sich gerade zur Seite beugte und Aidan etwas ins Ohr flüsterte. Ihr Pferdeschwanz strich dabei über sein Gesicht, Aidan wischte ihn beiseite und wickelte eine Strähne ihres glänzenden schwarzen Haars um seinen Finger. Del lachte und sah über ihre Schulter zu Lucy. Lucy blickte in die entgegengesetzte Richtung.
    Im Kopf ging sie die Schritte, die nötig waren, um einen Pfeil richtig abzuschießen, noch einmal genau durch und versuchte sich an jedes Detail zu erinnern, das Aidan ihr erklärt und gezeigt hatte. Monatelanges Training war durch ein paar kurze Stunden zwischen den zu erledigenden Arbeiten ersetzt worden. Zuerst hatte Lucy überhaupt nichts getroffen. Schon allein die Sehne unter Spannung zu halten, ohne dabei mit den Händen zu zittern, war schwieriger, als es aussah. Und wenn sie die Sehne dann losließ, waren immer irgendwie ihre Finger dazwischen gewesen, sodass der Pfeil schräg und unstet flog und – in neun von zehn Fällen – in einem Strauch oder auf dem Boden gelandet war. Außerdem hatte Lucy so tun müssen, als ließe es sie kalt, wenn Aidan ihr den Arm führte oder hinter ihr stand, wenn er ihre Hände mit seinen fasste und seine Brust ihren Rücken berührte, während Del jede seiner Bewegungen mit eisigem Blick verfolgte. Lucy hatte sich so fest in die Innenseite ihrer Wange gebissen, dass sie blutete. Aber schließlich war ihr ein Schuss gelungen; zumindest stak ihr Pfeil in dem Baumstamm, an dem das Ziel befestigt war, und er hatte ein paar Sekunden lang gezittert, bevor er mit einem leisen »Plopp« zu Boden gefallen war.
    »Super«, meinte Aidan. »Wie hat es sich angefühlt?«
    »Gut.« Lucy senkte den Blick. Es war zwar nicht so gut gewesen wie sein Arm auf ihrer Schulter, aber sie glaubte, dass sich ihre Finger an das krampfhafte Umklammern des Bogens gewöhnen würden, genauso wie an den Zug, der von der Sehne ausging, und die schnelle, gleichmäßige Bewegung, die sie vollführen musste, damit der Pfeil geradeaus flog.
    Jetzt stützte Lucy sich auf die Ellbogen, legte, ohne auf die Schmerzen in ihren Muskeln zu achten, einen Pfeil an den Bogen und ließ ihren Blick langsam über die Lichtung gleiten. Ihre Finger schwitzten in dem steifen Lederhandschuh, den sie gegen das Einschneiden der Nylonschnur in ihre Haut tragen musste. Außerdem hatte sie ihre Lederjacke an, um ihre Arme zu schützen, was in der Sonne unangenehm heiß war. Aber immerhin regnete es nicht. Wie hatte man diese Jahreszeit noch genannt, bevor das Klima begonnen hatte verrücktzuspielen? Indian Summer. Unerwartet war ihnen eine kurze Atempause von den ansonsten fast ununterbrochen tobenden, schweren Unwettern des Großen Regens vergönnt. Nur leider hatte offenbar jedes fliegende Insekt beschlossen, das gute Wetter ebenfalls zu nutzen, sodass Mücken, Fliegen und Moskitos in ganzen Schwärmen einfielen und als schwarze Wolken umherflogen. Von ihrer abgeschnittenen Jeans an abwärts waren Lucys Beine nackt, und rund um ihre Knöchel hatte sie schon fünfzehn Stiche gezählt. Sie zog ihr Bein ein wenig an, um die juckenden Stiche an dem

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