ePub: Der letzte Zauberlehrling
neun Uhr öffnen. Als Papillon und ich um halb neun auf den Opernplatz kamen, hatte sich bereits eine gewaltige Menschenmenge vor dem Gebäude versammelt, in dem das Geschäft untergebracht war. Neben dem Laden war eine kleine Bühne aufgebaut worden. Die Polizei hatte die Zufahrtsstraßen zum Platz abgesperrt.
»Nun sieh dir das an«, sagte Papillon. »Die ganzen Gutverdiener der Stadt sind auf den Beinen.«
Tatsächlich waren die meisten Anwesenden elegant gekleidet. Nur am Rand der Menge standen Grüppchen von Jugendlichen in ähnlich schlichten Klamotten wie wir. Wir bezogen hinter den Wartenden Stellung. Papillon kletterte eine Gaslaterne hoch, um einen besseren Blick zu haben.
»Jetzt kommt der Meister!«, rief er mir zu.
Die Menge vor uns bewegte sich. Man hörte vereinzelte »Bravo!«-Rufe aus den vorderen Reihen. Dann tauchten drei Gestalten auf der Bühne auf, von denen ich zwei sofort erkannte. Es waren Pompignac und Ignatius. Der dritte Mann war mir unbekannt.
Ignatius trat an den Bühnenrand und breitete die Arme aus, bis sich die Wartenden beruhigt hatten. »Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie den Bürgermeister von Paris!«, rief er.
Der Mann, den ich nicht kannte, trat an das große Mikrofon in der Mitte der Bühne. »Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger«, rief er. »Heute ist ein besonderer Tag für unsere Stadt. Wir erleben eine Weltpremiere, das erste Geschäft, in dem jeder Bürger Zaubersprüche käuflich erwerben kann. Wieder einmal bestätigt sich, dass hier in Paris die Zukunft gemacht wird, in diesem Fall von unserem geschätzten Mitbürger Jacques Pompignac. Mit seinem neuen Unternehmen wird er erneut mehrere Hundert Arbeitsplätze schaffen und damit zum Wohlstand unserer Stadt beitragen. Und vergessen Sie bei den nächsten Wahlen nicht, wer dafür gesorgt hat, dass dieser erfolgreiche Mann sein Geschäft hier in unserer schönen Stadt betreibt.« Er drehte sich zu Pompignac um. »Mein lieber Jacques, ich darf dich bitten, nun die offizielle Eröffnung vorzunehmen.«
Unter tosendem Applaus schüttelte der Bürgermeister Pompignac die Hand und der Unternehmer trat an das Mikrofon.
»Liebe Freunde«, begann er, nachdem sich der Lärm einigermaßen gelegt hatte. »Heute ist ein großer Tag für mich, aber vor allen Dingen ist es ein außergewöhnlicher Tag für Sie. In wenigen Minuten werden Sie die ersten Menschen sein, die sich einen Kleinzauber für Ihr Heim kaufen können. Viele Jahre habe ich dafür gekämpft, für Sie, für das einfache Volk, denn ich habe es immer als ungerecht empfunden, dass sich nur die Reichen den Dienst der Zauberer leisten können. Heute ist es nun endlich so weit.«
Er legte eine kleine Pause ein. Als die erneuten Jubelrufe der Menge verklungen waren, fuhr er fort: »Meine Freunde, ich muss Ihnen gestehen, mit so einem Andrang hatten wir nicht gerechnet. Deshalb mache ich Ihnen nun ein besonderes Angebot: Sollte ein Zauber, den Sie gerne erwerben würden, bereits vergriffen sein, bis Sie an der Reihe sind, dann können Sie ihn hier im Laden bestellen und erhalten ihn von mir nicht nur kostenlos nach Hause geliefert, sondern außerdem noch mit einem Rabatt von zehn Prozent.«
Wieder brach Applaus aus. Ignatius reichte seinem Chef einen in der Sonne glitzernden Gegenstand, den Pompignac umgehend in die Höhe reckte.
»Und nun ist es so weit!«, rief er. »Ich erkläre das erste Geschäft von Pomp & Paradox für eröffnet!«
Er beugte sich zur Seite, wo ein rotes Band gespannt war. Jetzt erkannte ich auch, was er in der Hand hielt. Es war eine Schere, mit der er das Band durchtrennte. Sofort setzte sich die Menge unter lautem Johlen in Bewegung, während Pompignac und seine Begleiter von der Bühne verschwanden. Papillon kam von seinem Aussichtsposten heruntergerutscht.
»Das wird noch etwas dauern, bis wir da näher rankommen«, sagte er. »Ich schlage vor, wir setzen uns in ein Café und kommen in zwei Stunden wieder.«
Wir fanden ein kleines Bistro am Rand des Platzes, von wo aus wir das Getümmel vor Pompignacs Laden beobachten konnten. Es dauerte nicht lange, und die ersten erfolgreichen Kunden kamen an uns vorbei, ihre Beute verpackt in großen Tragetaschen, die mit dem Logo Pomp & Paradox und, natürlich, dem freundlich lachenden Gesicht Pompignacs verziert waren.
Nach zwei Stunden hatte sich das Publikum so weit verlaufen, dass wir den Platz überqueren konnten. Vor der Ladentür standen zwei kräftige Männer in schwarzen Mänteln
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