Er trank das ewige Leben
stöhnte er und flüsterte: »Das ist er, das ist Mephisto. Das ist sein Gesicht, verflucht! Sein Gesicht in einer englischen Zeitung!«
***
Die Überraschung war so perfekt, daß beide Männer zunächst einmal nichts sagen konnten, immer wieder das Bild anschauten, wobei Negru den darunter stehenden Text nicht verstand und seinen Freund deshalb fragte: »Kannst du ihn übersetzen?«
»Ich muß erst das Buch holen.« Marek stand auf. Mit weichen Knien ging er auf den Schrank zu und holte das Wörterbuch hervor. Er kam sich dabei vor, als würde er auf Watte laufen und nicht auf einem normal harten Fußboden. Einen Kugelschreiber und ein Blatt Papier brachte er ebenfalls mit zum Tisch, dann fing er an, den Text zu übersetzen, wobei er immer wieder im Wörterbuch nachschlug. Auf einen Zettel schrieb er, was er herausgefunden hatte.
»Lies mal – bitte.«
Marek nickte. »Mephisto, die neue Art des Schreckens. Die Grusel- und Gräberschau aus dem Land der Vampire. Testen Sie Ihre Nerven. Kommen Sie zu uns…«
Beide schwiegen. Beide waren bleich geworden. Beide hingen ihren Gedanken nach, bis Negru endlich das Schweigen brach und murmelte:
»Jetzt weiß ich, weshalb er nicht zu uns gekommen ist.«
»Richtig.«
»Aber in England, in London. Was macht er dort? Mephisto! Himmel, ich kann es noch immer nicht fassen. Dabei habe ich gedacht, daß er im Delta leben würde. Aber jetzt lese ich, daß er in London ist. Das Gesicht, die Stirn, die Nase, die Zähne – völlig identisch.«
»Er muß es sein!«
»Und er ist in England. Warum so plötzlich?«
Darüber hatte Frantisek Marek auch nachgedacht, aber er stimmte mit seinem Freund nicht überein. »Ich glaube nicht, daß es so plötzlich geschehen ist.«
»Doch, er war vor zwei Wochen noch…«
»Ja, das stimmt schon. Aber ich könnte mir auch eine andere Möglichkeit vorstellen.«
»Welche denn?«
»Beginnen wir noch mal von vorn.«
»Wenn es hilft?«
»Das werden wir sehen. Im Donaudelta lebte Mephisto wie eine böse Legende. Daß es keine war, wissen wir, denn wir haben ihn gesehen, und wir haben auch erlebt, wozu er fähig ist. Aber er war wohl nicht immer dort. Er kann Pausen eingelegt haben, in denen er sich zurückgezogen hat, weil er unterwegs war. Hier bei uns, vielleicht auch in Ungarn oder Bulgarien, was weiß ich. Da ist er dann mit seiner Gruppe aufgetreten. Hier in Petrila war er nie, und jetzt haben diese Akteure zum erstenmal die Chance bekommen, im Ausland aufzutreten.« Er deutete auf die Zeitung. »Ich habe auch das Datum gelesen. Heute abend ist Premiere. In der Nähe von London haben sie ihre erste Aufführung. Und zwar im Freien, wie ich dort noch habe lesen können. Ein sommerliches Freilufttheater. Das gibt es ja öfter in dieser Jahreszeit.«
Negru schwieg. Er war noch immer geschockt. Aber er hatte auch zugehört und nickte über den Tisch hinweg seinem Freund zu. »Da kannst du recht haben, Frantisek. Aber wir sitzen hier und können nichts tun. Wir kommen doch so schnell gar nicht hin, um…«
»Wir nicht, alter Freund!« Marek lächelte. »Aber es gibt andere, denen wir Bescheid sagen können. Schließlich leben meine Freunde in London. Ich besitze auch ein Telefon, und jetzt kann ich nur hoffen, daß John Sinclair in der Stadt ist.«
Negru hatte große Augen bekommen. »Du willst ihn tatsächlich anrufen und…«
Marek war schon aufgestanden. »Was sonst? Wenn einer diese Bestie vernichten kann, dann er oder Suko und auch die anderen. Wir wollen denen einen aufregenden Abend bereiten.«
Ja, ich war in meinem Büro, und Marek hatte auch nur sehr kurz mit mir gesprochen, mich um den Rückruf gebeten, was ich auch getan hatte, denn aus Spaß klingelt mich der Pfähler bestimmt nicht an. Da steckte immer etwas dahinter.
Und dann war es ein längeres Gespräch geworden, das sich über fast eine halbe Stunde hingezogen hatte. Ich wußte nun Bescheid, ich war eingeweiht worden, ebenso wie mein Freund Suko, der über Lautsprecher zugehört hatte.
»Was willst du tun?« hatte mich Marek zum Schluß mit bebender Stimme gefragt.
»Mir die Schau ansehen.«
»Heute abend?«
»Ja.«
»Danke.«
Er hatte mich dann noch einmal darauf hingewiesen, wie grausam dieser Mephisto war. Suko hatte sich inzwischen mit Glenda in Verbindung gesetzt, und ihr war es gelungen, noch die entsprechende Zeitschrift aufzutreiben.
Zu dritt schauten wir uns diese düstere Reklametafel an. Suko meinte:
»Marek hat recht. Er hat in allem
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