Erbarmungslos: Thriller (German Edition)
teilte Pioneer auf Chinesisch mit, dass das Gespräch zu Ende war.
»Was haben wir übersehen?«, fragte Kyra.
Jonathan holte tief Luft. »Erinnern Sie sich, dass die Zeitachse bis 1999 keinen Fortschritt im shashoujian -Projekt zeigte?«
»Ja. Wir haben nach einem auslösenden Ereignis gesucht.«
»Wir haben nach einem Ereignis in China gesucht«, erklärte Jonathan. »Das war dumm und engstirnig. Es gab ein auslösendes Ereignis, aber nicht in China, sondern in Serbien.«
»Was ist in Serbien passiert?«
Er schüttelte den Kopf. »So was Dummes«, sagte er leise, aber mit Nachdruck. »Wir können die Sache noch zu Ende bringen. Dank Pioneer wissen wir, was die shashoujian ist«, fuhr er mit ruhiger Stimme fort. »Er wusste nicht, dass bestimmte Einzelteile des Puzzles zusammengehörten. Wir übrigens auch nicht. Wir hätten es ohne ihn herausfinden können, wenn wir schlau genug gewesen wären. Ich war ein Idiot, dass ich es nicht gesehen habe.« Diese Selbsteinschätzung war eher ein Zeichen seiner Erschöpfung als seiner Demut. Er wusste, sein Schlafmangel wirkte sich mittlerweile auf seine Denkfähigkeit aus, und die Koffeintabletten richteten mehr Schaden an, als dass sie halfen. Er hoffte, Kyra ginge es besser, doch sie hatte unter größerem Stress gestanden und zwischen Kaffee und Alkohol gewechselt.
Jonathan sah auf die Uhr und rechnete in Gedanken die Zeit um. In Langley war es 8:30 Uhr. Er drehte sich zu Mitchell. »Ich brauche ein sicheres Mobiltelefon und einen Laptop.«
Sachs zog ein Mobiltelefon aus seiner Tasche, aus einem Rucksack im Cockpit einen Tablet-PC. »Die dürfen Sie aber nicht behalten. Dafür habe ich unterschrieben.«
Jonathan warf dem jungen Offizier einen vernichtenden Blick zu, während er ihm das Handy aus der Hand nahm. »Wie lange noch, bis wir starten?«, fragte er Mitchell.
»Laut Flugplan dreißig Minuten. Aber uns gehört das Flugzeug. Sollen wir noch warten?«
»Wenn das geht«, sagte er und reichte Kyra den Tablet-PC. »Ich rufe zu Hause an. Sie müssten nach jemandem für mich suchen.«
»Nach wem?«, fragte sie.
»Pjotr Ufimtsev. P-J-O-T-R. U-F-I-M-T-S-E-V . Glauben Sie mir, Sie werden es erkennen, wenn Sie es sehen.« Kyra zuckte mit den Schultern, drückte eine Taste am Rechner und begann zu tippen. »Wir brauchen nur noch ein bisschen Zeit«, sagte Jonathan, mehr zu sich selbst als zu jemand anders. »Und wir müssen mit der Marine reden.«
»Worüber?«, fragte Mitchell gereizt.
»Haben Sie schon mal von NOBLE ANVIL gehört?«, fragte Jonathan zurück.
Kyra blickte auf. Sie hatte Jonathan in der kurzen Zeit, die sie zusammenarbeiteten, noch nie so aufgeregt gesehen, fiel ihr auf. Sie drückte die Eingabetaste und startete die Internetsuche zu dem Namen, den ihr Jonathan genannt hatte. Sie hatte ein gutes Gedächtnis für Akronyme und Passwörter. Das Training der Gedächtnisleistung gehörte bei der Ausbildung zum Führungsoffizier zum Standard, und wer für die Regierung arbeitete, konnte auf diese Fähigkeit ohnehin nicht verzichten. »Die USA als Teil der alliierten Streitkräfte der NATO -Operationen 1999 in Jugoslawien«, sagte sie.
Jonathan nickte, eher dankbar darüber, dass er nichts weiter erklären musste, als beeindruckt von Kyras Wissen über Militärgeschichte. »Die Luftwaffe hat die chinesische Botschaft zufällig bombardiert. Wir sind immer davon ausgegangen, dass die Chinesen glaubten, wir hätten auf keinen Fall so weit danebenschießen können, was für sie hieß, dass jemand den Befehl dazu erteilt hatte. Der Grund für diese Annahme war, dass sie geheime US-Technologie in dem Gebäude versteckten … etwas, das so geheim ist, dass die Chinesen dachten, wir würden deswegen ihre Botschaft bombardieren, damit dieses Teil nicht nach Peking gelangt.«
»Moment mal … die F-117 Nighthawk?« Kyra glitt mit dem Finger über die Suchergebnisse.
Mitchell schwieg einen Moment nachdenklich. »Die Nighthawk, die von den Serben abgeschossen wurde.«
Jonathan nickte. »Das einzige Tarnkappenflugzeug, das wir je in einem feindlichen Gefecht verloren haben. Sechs Wochen nach dem Abschuss warfen wir hundert Kilometer entfernt eine Bombe auf die chinesische Botschaft. Da die VBA nicht am Abschuss des Flugzeugs beteiligt war, hatten wir keinen Grund, diesen mit der ›Keule des Meuchelmörders‹ in Verbindung zu bringen, obwohl die Chinesen glaubten, wir würden davon ausgehen.«
»Ich dachte, die Nighthawk wurde bei dem Aufprall zerstört«,
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