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Erbarmungslos: Thriller (German Edition)

Erbarmungslos: Thriller (German Edition)

Titel: Erbarmungslos: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Henshaw
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tat, um seine anderen Operationen in Taipeh zu schützen. Die Liste war nicht schwer zu finden gewesen, und er hatte sie in dem toten Briefkasten hinterlegt.
    Pioneer wusste natürlich über die Verhaftungen in Taiwan Bescheid. Die Volkszeitung hatte pflichtschuldig die offizielle Version veröffentlicht, nach der unschuldige Opfer aufgrund von Präsident Liangs persönlichem Ehrgeiz und seines korrupten Führungsstils gefangen genommen worden waren, die nicht für den Geheimdienst arbeiteten. Dies war natürlich gelogen. Er kannte die Wahrheit aus internen Quellen, doch auch das gemeine Volk wusste ohne Zugang zu diesen Quellen Bescheid. Die von Taiwan verhafteten Festlandchinesen waren genau das, was Präsident Tian geleugnet hatte. Abgesehen von dem einen toten Amerikaner, waren die Gefangenen Regierungsbeamte und Politiker, als Leckerbissen war ihnen noch ein Mitglied der taiwanischen Sicherheitsbehörde ins Netz gegangen. Alle galten als hervorragende Spione, einigen hatte das MSS so vertraut, wie es Abtrünnigen vertrauen konnte. Der Verlust eines hochrangigen Beraters eines Ministers in Präsident Liangs Kabinett war eine der schlimmsten Katastrophen. Karrieren beim MSS würden beendet werden, und wer Glück im Unglück hatte, konnte der für Inkompetenz in einem Geheimverfahren verhängten Gefängnisstrafe entgehen. Einen Spion an Taiwan zu verlieren war ärgerlich genug. Dass einer – gemeinsam mit Taiwanern – durch ausströmendes Gift getötet und der Einsatz entsprechender Rettungseinheiten nötig wurde, war eine nationale Erniedrigung. Pioneer wusste nicht, was die Spione dem MSS übergeben hatten, doch auch danach würde ihn die CIA mit Sicherheit fragen.
    Der tote Briefkasten an diesem Abend befand sich auf der Toilette eines kleinen Fischhändlers, den Pioneer oft wegen der hervorragenden Auswahl an Schalentieren und dem leckeren Mapo Dofu aufsuchte. Noch nie zuvor hatte er diesen Laden als toten Briefkasten genutzt und würde es auch nie wieder tun. Er hatte den Laden betreten und ein halbes Pfund im Wok gebratener Garnelen mit schwarzer Bohnen-Knoblauch-Soße und Gemüse bestellt und war auf die winzige Toilette gegangen, die nur aus einer Kabine bestand. Dort hatte er den USB-Speicher mit verschlüsselten Dateien in einer versiegelten Plastiktüte hinter dem Gasbrenner versteckt. Die Reste seines Abendessens lagen jetzt auf der Bank neben ihm.
    Pioneer wartete zwanzig Minuten, bevor er sich erhob und ging. Für den MSS hatte es nichts Interessantes zu sehen gegeben. Er war ein bescheidener Staatsdiener, der sich etwas zum Abendessen gekauft und im Park gegessen hatte, wo er den Sonnenuntergang genießen und dabei lesen konnte. Trotzdem würde er weiterhin wie immer auf seinem Heimweg nach Verfolgern Ausschau halten. Egal, wie gut er eine Übergabe plante oder wie vorsichtig er sie ausführte, bei jeder lang andauernden Operation unterliefen den Beteiligten Fehler, die allein dem Zufall geschuldet waren. Dank seiner jahrelangen Tätigkeit als angeworbener Spion wusste Pioneer, dass er dem Pech keine Chance geben wollte.
    Trotz seiner Vorbehalte gegenüber dem Begriff »toter Briefkasten« war die Sache an sich der Bereich, in dem er am liebsten arbeitete. Tote Briefkästen ausfindig zu machen gehörte zu den Albträumen der Spionageabwehr, und Pioneer hatte ein Talent, gute Stellen zu finden, die es seinen Führungsoffizieren ermöglichten, sich in kurzer Zeit ein Päckchen zu schnappen, auch wenn sie beobachtet wurden. Pekings Gassen boten die beste Voraussetzung für seine Arbeit, besonders nachts. Aus einer gewissen Entfernung zu erkennen, was jemand mit seinen Händen tat, war ohne Sonnenlicht kaum möglich.
    Mitchell stufte die Gefahr, dass jemand hinter ihm her war, an diesem Abend als sehr wahrscheinlich ein. Das MSS hatte diesmal nicht geholzt, doch ein Mann hatte sich an zwei weit voneinander entfernten Orten gezeigt, was kein Zufall mehr sein konnte. Wegen seiner Größe konnte Mitchell in der Menge nicht gut untertauchen, daher spielte er mit seinen Gegnern – setzte sich einen Hut auf, zog seinen Mantel aus und änderte von Zeit zu Zeit grob sein Aussehen. Jetzt trug er einen schwarzen Mantel und eine anthrazitfarbene Hose, und es schien kein Mond, sodass ihn der Schatten der Häuser und Autos verschluckte und immer wieder nur für ein paar Sekunden ausspuckte. Hin und wieder ging er ein Stück unter der hellen Straßenbeleuchtung entlang, um die Nachtsichtfähigkeit seiner Verfolger

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