Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
wir wissen, dass die Beziehung zwischen den beiden Dynastien schon immer wie ein Pulverfass mit kurzer Lunte war, und im Moment scheinen sie alle mit dem Streichholz zu spielen.«
»Ich wusste nicht, dass es so schlimm geworden ist«, erwiderte Ty, der sich wünschte, er hätte diese Entwicklung mitbekommen.
»Tja, das merkt man«, gab Anura zurück.
Ty fragte sich, ob sie ihn trotzdem rauswerfen würde, aber stattdessen zeigte sich auf ihrem Gesicht die Andeutung eines Lächelns. Alte Freundschaft, egal wie lange vernachlässigt, triumphierte über ihre Sorge wegen seiner Anwesenheit. Zumindest im Moment.
Ty kam sich ganz schön mies vor, dass er diese Freundschaft so lange vernachlässigt hatte. Anura hatte sich den Verstoßenen gegenüber immer großzügig erwiesen. Schlagartig wurde ihm klar, dass er sich für ihre Freundlichkeit nie so richtig erkenntlich gezeigt hatte.
»Weshalb bist du denn nun hier, Ty? Und versuch ja nicht, mich mit irgendwelchem Schwachsinn abzuspeisen. Du bist zwar eine Katze, aber jeder weiß, dass du die Katze der Königin bist.«
Sie wurmte ihn, diese beiläufige Bemerkung. Umso mehr, als er erst kürzlich von Lily etwas Ähnliches zu hören bekommen hatte, so eine Andeutung, dass er quasi Arsinöes Besitz war. Er selbst hatte für sich immer unterschieden zwischen dem, was er tat, und dem, der er war. Aber offensichtlich hatte er übersehen, dass alle anderen das nicht taten. Erst jetzt wurde ihm das klar, und es machte ihm mehr zu schaffen, als er sich das vermutlich jemals vorgestellt hätte. Andererseits – wie lange war er schon nicht mehr hier gewesen? Zehn Jahre? Zwanzig? Und selbst damals, das wurde ihm plötzlich bewusst, war er bereits tief in die Vorgänge am Hof der Königin verstrickt gewesen.
»Ich bin hier, weil ich einen Rat brauche. Und Informationen.« Ty hörte selbst, wie unterwürfig das klang.
Anura runzelte verblüfft die Stirn. »Rat? Na so was. Sehr schmeichelhaft. Natürlich sage ich dir gern, was ich denke, Ty. Was die Informationen angeht, kommt es darauf an, um was es sich handelt.« Ty spürte, wie sehr sie auf der Hut war, und schloss daraus, dass es in letzter Zeit tatsächlich hoch hergegangen sein musste. »Wenn du Jaden hinterherschnüffelst, kann ich dir nichts anderes sagen als den anderen auch: Ich weiß nicht, wo er ist.«
Jaden. Jetzt fiel bei Ty der Groschen. Endlich kapierte er, was los war. »Sie waren hier, weil sie ihn gesucht haben. Es war Jaden, von dem du vorhin geredet hast. Aber wieso sollten sie ihn ausgerechnet in Chicago suchen? Sich mitten unter den Dracul zu verstecken, wäre doch das Letzte, was er täte.«
Anura sah ihn erstaunt an. »Wo um Himmels willen hast du gesteckt, Ty? Dies ist eine von etwa einem Dutzend Dracul-Hochburgen, wo die Ptolemy in den letzten zwei Monaten aufgekreuzt sind und Stunk gemacht haben. Vor zwei Wochen hat es hier ein Blutbad gegeben. Angefangen hat es als Rempelei zwischen einem Dracul, der völlig friedlich rumstand, und einer Horde Ptolemy, die meinten, ihn mal kurz stellvertretend für seine Dynastie fertigmachen zu müssen. Sie haben sich über seine Abstammung lustig gemacht, die Dynastie für unrechtmäßig erklärt, und was sie zu dem Dracul selbst gesagt haben, davon will ich lieber gar nicht erst anfangen. Sachen, die Arsinöe früher nie hätte durchgehen lassen, nicht mal, wenn sie sie im Stillen für richtig gehalten hätte. Okay, eine Menge Blaublute haben Ähnliches oder sogar Schlimmeres über die Dracul gesagt, aber trotzdem, dies hier ist schließlich ihre Stadt.« Schützend schlang sie die Arme um den Körper und sah ihn durchdringend an. »Und meine Stadt ebenfalls. Und nicht nur ich fürchte langsam das Schlimmste.«
Natürlich sprach sie von Krieg. Eine Dynastie gegen die andere, bis eine von beiden vom Antlitz der Erde verschwunden war, ihr Anführer tot, die überlebenden Angehörigen in die siegreiche Dynastie eingegliedert. Ty hatte so etwas noch nie miterlebt, aber er hatte gehört, dass es in früheren Zeiten öfter vorgekommen war – dass die älteste aller Dynastien sogar auf diese Weise ausgelöscht worden war.
Ty hätte auf solch einen Krieg gut verzichten können. Aber ihm war durchaus klar, dass man manchmal nur die Wahl hatte, zu töten oder getötet zu werden.
»Anura, wenn die Dracul für die Massenmorde an den Ptolemy verantwortlich sind, dann geschieht es ihnen recht, wenn sie aufhören zu existieren. Du kennst nur einen Teil der Geschichte.« Er
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