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Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Titel: Erbschuld: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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Hilfe.
    Sie blieb einen Augenblick sitzen und sah auf die Dächer von Bath und die sich immer tiefer senkenden Wolken. Dann holte sie ihr Handy aus der Handtasche, suchte im Verzeichnis, bis sie die Nummer des Gefängnisses gefunden hatte, und wählte.
    Der Regen hatte nachgelassen, als sie schneller als erlaubt auf der A46 zum Gefängnis Rookwood fuhr. Sie war sich dessen bewusst, dass es Wahnsinn war, aber ihr war nichts Besseres eingefallen. Den Kopf gegen die Nackenstütze gelehnt, lenkte sie fast automatisch. Sie wehrte sich gegen die vor ihrem geistigen Auge auftauchenden Bilder, zwang sich aber gleichzeitig, doch noch einen Ausweg aus ihrer entsetzlichen Lage zu suchen.
    Ein Mann war getötet – ermordet? – worden, und zwar von ihrer Tochter. War das Leben nicht unantastbar? Natürlich war es das. Aber so sehr ihr auch eine innere Stimme dazu riet, die Polizei einzuschalten, sie brachte es nicht über sich. Egal wie es zum Tod Antons gekommen war, an ihren Schwur musste sie sich halten. Sie hatte Rachel bereits zweimal in ihrem Leben im Stich gelassen, sie würde ihr Vertrauen nicht ein drittes Mal enttäuschen.
    Sie dachte über die zweite Möglichkeit nach: Rachel zu überreden, die Polizei aus eigenem Antrieb aufzusuchen. Sie würde sie davon überzeugen müssen, dass dieser Schritt der einzig richtige war. Madeleine könnte aussagen, dass es ein klarer Fall von verminderter Zurechnungsfähigkeit war. Zur Untermauerung ihrer Behauptung hatte sie ihre Gesprächsaufzeichnungen vorzuweisen. Rachel hatte unter dem denkbar schlimmsten Druck gehandelt: Sie war körperlich misshandelt worden, und ein skrupelloser Gangster hatte gedroht, ihren Sohn zu entführen. Welche Mutter hätte ihr Kind nicht instinktiv vor dieser Gefahr schützen wollen? Eine Verzweiflungstat, unter unerträglichem Druck begangen. Rachel hatte eine entsetzliche Angst vor dem Mann gehabt, sie hatte am eigenen Körper erlebt, wozu er in der Lage war.
    Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie Rachel überzeugte, sich an die Polizei zu wenden. Rachel würde ausflippen und eventuell auch auf sie mit dem Aschenbecher losgehen.
    Sie überlegte, welche Möglichkeiten es sonst noch gab, und spielte eine neue Variante durch: Wie wäre es, wenn sie die Schuld auf sich nähme? Die Tat vorzutäuschen, würde ihr nicht schwerfallen. Welche Mutter würde nicht ein Ungeheuer beseitigen wollen, das die eigene Tochter so schwer misshandelt und gequält hatte? Sie konnte so tun, als hätte sie ihn ermordet, hingerichtet, und wolle nun den Preis dafür bezahlen. War eine bessere Buße dafür denkbar, dass sie ihr Kind verlassen hatte? Ein Opfer dieser Größe war verlockend. Doch als sie über die Dinge im Einzelnen nachdachte, wurde ihr klar, dass ihre Idee Unsinn war. Heutzutage war die Kriminalistik so hoch entwickelt, und man wusste so viel über die Psychologie des Verbrechens, dass die Wahrheit an den Tag käme, da mochte sie sich noch so sehr anstrengen. Wenn Rachel nur schon gleich gestern, unmittelbar nach der Tat, zu ihr gekommen wäre! Da hätte sie eine größere Chance gehabt, sie zu überreden, die Polizei einzuschalten.
    Andererseits hatte Rachel natürlich recht, was Sascha betraf. Was würde man dem kleinen Jungen nicht alles zumuten? Wie würde man vor ihm von seiner Mutter, von seinem Vater reden? Wo würde er landen, bis Rachel wieder frei war? (Wenn man sie überhaupt laufen ließ.) Sascha bei Pflegeeltern, o Gott. Die Geschichte wiederholte sich! Andererseits konnte sie als Saschas Großmutter und nächste Verwandte durchaus zum Vormund des Kindes bestellt werden, wenn Rachel ins Gefängnis käme. Aber Rachel würde dem nie zustimmen. Der andere nächste Verwandte war Saschas bösartiger Onkel, dieser Uri, von dem Rachel mit ungezügeltem Hass sprach.
    Also blieb doch nur die Möglichkeit, sich der Leiche zu entledigen und zu hoffen, dass es klappte. Einen menschlichen Körper zu beseitigen kam ihr allerdings unvorstellbar vor.
    Das Leben ist unantastbar, flüsterte sie. Sie glaubte aus tiefstem Herzen daran. Nie hatte sie wissentlich ein Insekt zertreten. Aber das Leben eines Kriminellen, der mit Sexsklavinnen Handel trieb, Frauen und Mädchen vergewaltigte und durchaus selbst ein Mörder sein konnte … wie unantastbar war dessen Leben? Er hatte gewalttätig gelebt und war durch Gewalt gestorben. Nun lag sein Körper in einer Garage und verweste in der Gewitterhitze. In diesem Stadium ging es nur noch um seine Beseitigung. Oder etwa

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