Erbspione vogelfrei
Ruhe kam und stand.
Mein erster Blick galt der unter meinen Füßen liegenden Schalenhälfte. Sie war aufgerissen worden. Noch einige Meter mehr – und die blauflimmernden Stahlkontakte der Unfall-Bremsstrecke hätten sich in meinen Körper gebohrt.
Plötzlich wurde es still. Tief unter uns regte sich nichts. Da fiel mir ein, daß die Thermoumformer der Hilfsreaktoren gewöhnlich mit einem dumpfen Brummton liefen. Er war in Zonta nahezu allgegenwärtig.
Wieso war es jetzt so still?
Ich fühlte, daß mir jemand unsanft einen spitzen Gegenstand zwischen die Rippen bohrte. Es war Hannibals Ellenbogen.
»Totalausfall«, stieß er außer Atem hervor. »Wieso?«
Ich schaute ihn interessiert an.
»Woher kommst du? Von einer Hochgebirgswanderung oder aus dem Rechenzentrum?«
Hannibals wasserblaue Augen drückten Verständnislosigkeit aus.
»Eh …?«
»Wegen deiner Keucherei, mein Guter«, fuhr ich gelassen fort. »Wieso muß man nach Atem ringen, wenn man keine körperlichen Belastungen hinter sich hat?«
Er schluckte hörbar und preßte seine wulstigen Lippen fest aufeinander.
Sein Schweigen dauerte aber nicht lange. Die nächsten Worte waren eine anzügliche Bemerkung, die übernächsten eine grobe Beleidigung.
Ich grinste erheitert, griff in die Tasche und zog meinen Kom mando-Kodator ans Licht unsichtbar bleibender Leuchtstoffkör per. Hier – mehrere Kilometer unter der Oberfläche des Mondes – hatten die Bewohner des Mars eine andere Welt erschaffen. Sie war rätselhaft, monumental und von zahlreichen Geheimnissen umwittert, daß viele unserer wissenschaftlichen Mitarbeiter vom »Flüstern der Vergangenheit« sprachen.
Dieses ewige Raunen war nun verstummt. Nur die Beleuchtung funktionierte nach wie vor.
Ehe ich das Kommandogerät vor den Mund führen und die zentrale Robotstation von Zonta anrufen konnte, erwachte die unheimliche Stadt erneut zum Leben.
Das übliche Grollen aus den Tiefen zahlloser Schachtanlagen war wieder zu hören. Die Direktumformer brummten ihr Lied; weiter oben krachte ein Überschlagsentlastungsblitz durch die künstlich aufgebaute Atmosphäre. Wir hatten konstant plus 19,5 Grad Celsius gemessen; eine Temperatur, von der die Bewohner des erkaltenden Mars verwöhnt worden waren. Mir war es hier unten immer etwas zu kühl.
Hannibal, der seltsamste aktive Schatten der Geheimen-Wissenschaftlichen-Abwehr, brach mitten im Wort ab. Die letzte Beschimpfung blieb ihm sozusagen im Halse stecken. Er hatte etwas entdeckt, was mir bisher entgangen war.
»Der ist wohl total verrückt geworden!«
Ich fuhr instinktiv zusammen. Als ich dem Blick des Kleinen folgte, bemerkte ich einen der riesigen Kampfroboter des Mars.
Ich hatte ihn weder orten noch früher erblicken können. Mein Verstand sagte mir gleichzeitig, daß zu einem Ausschauhalten nach einer solchen Kampfmaschine auch kein Anlaß bestanden hätte.
Roboter dieser Art hatten in den Versorgungsanlagen der unterlunaren Stadt nichts zu suchen. Es war jedermann bekannt, daß sie in den dafür vorgesehenen Silos abgestellt und konserviert worden waren.
Als ich bei dieser Erkenntnis angekommen war, war es für uns beinahe schon zu spät; das heißt – wenn die Maschine so exakt wie gewohnt gehandelt hätte, wäre es auf alle Fälle viel zu spät gewesen!
Auf unserer Erde gab es keinen Menschen, der auch nur annähernd in der Lage gewesen wäre, die Reaktionsgeschwindigkeit eines Marsroboters richtig einschätzen oder überbieten zu können. Diese Giganten aus MA-Metall handelten generell mit der Geschwindigkeit des Gedankenfluges. Die
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