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Erebos

Erebos

Titel: Erebos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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herüber. »Wer ist das nun wieder? Verstärkung?« Es klang verächtlich. Auf seiner Stirn entdeckte Nick einen blutigen Kratzer.
    »Klappe halten«, herrschte Helen ihn an. »Und jetzt tu endlich, was ich dir sage, oder ich schieß dir ins Bein!«
    Das Bein befand sich derzeit noch hinter dem Schreibtisch, war also kein ideales Ziel. Ortolan lächelte mild.
    Unterschätz sie nicht, dachte Nick. Sie schießt. Sie ist verrückt.
    »Vielleicht sollten Sie tun, was sie verlangt«, sagte er vorsichtig.
    »Du hältst auch die Klappe!«, brüllte Helen. »Und jemand holt jetzt gefälligst Wasser!«
    Der Scream-Typ rannte wieder los, drängte sich an Nick vorbei durch die Tür und lief den Gang hinunter. Hoffentlich war Adrian klug genug, sich zu verstecken.
    Bis auf das Schluchzen der Frau war es nun ruhig. Nick fühlte, wie ihm Schweiß den Nacken hinablief. Colin hinter seiner Teufelsmaske stöhnte. Neben ihm kniete ein Mädchen, darüber konnte ihr Gollum-Gesicht nicht hinwegtäuschen. »Ich glaube, es geht ihm schon besser«, sagte sie.
    Der Letzte im Bunde war ein Junge, sehr groß und stämmig, mit dicken Fingern. Er trug eine Alien-Maske und kam Nick nicht bekannt vor. Was er in den Händen hielt, sah wie eine abgesägte Schrotflinte aus. Trotzdem war es Helen, die die Fäden in der Hand zu halten schien. Mit ihr mussten sie in erster Linie klarkommen.
    Erst jetzt bemerkte Nick, dass sie etwas um den Hals trug: das Symbol des Inneren Kreises, rot, mit der zur Mitte hin gerichteten Spitze. Sie war die Einzige, die es trug; Nick vermutete, dass sie es aus dickem Draht gebastelt hatte.
    Der Weißgesichtige kam mit dem Wasser zurück. Er reichte dem am Boden knienden Mädchen das Glas, ohne ein Wort zu sagen. Dann hatte er Adrian nicht gesehen.
    Colin drehte sich von Nick, Emily und Victor weg, als er die Teufelsmaske lüpfte. Er richtete sich halb auf, nahm ein paar Schlucke Wasser und hustete.
    »Alles okay?«, fragte Helen.
    »Ja. Geht wieder.«
    »Gut. Dann weiter im Text. Steh auf, Ortolan.«
    Er tat es ungern, man konnte es ihm ansehen. Es fiel Nick schwer einzuschätzen, ob Ortolan große Angst hatte oder nicht. Die beiden Male, die Nick ihn beobachtet hatte, war er ihm ängstlicher erschienen. Er muss gespürt haben, dass sich etwas um ihn herum zusammenbraut. Doch es war nicht greifbar gewesen. Jetzt ist es so weit und er ist entspannt.
    »Du wirst für deine Taten bezahlen«, sagte Helen. Das war sicher vorgegebener Text. »Für deine Gier, deine Rücksichtslosigkeit, deine Lügen.«
    Auf einen Wink von Helen sprang das kräftige Alien vor und riss eines der Fenster auf. Direkt vor ihnen lag der Bridewell Place. Und das oberste Brett des Baugerüsts.
    Ortolan begriff. »Ich würde sagen, ich habe schon bezahlt«, sagte er hastig, »und das, obwohl ich weder gierig noch rücksichtslos noch verlogen bin. Ihr wisst genau, was ihr mir alles angetan habt. Es ist genug, hört ihr?«
    Vermutlich hätte Ortolan, ebenso wie Nick, eine Menge dafür gegeben, die Reaktionen auf den Gesichtern der Maskierten sehen zu können.
    »Raus aus dem Fenster«, sagte Helen. Ihre Pistole war auf Ortolan gerichtet. Kein Zittern in der Stimme, kein Zittern in der Hand.
    »Hört mal«, warf Victor ein. »Wir kennen uns nicht und was ich jetzt sage, klingt wahnsinnig abgedroschen, aber ihr macht einen großen Fehler. Was habt ihr davon, wenn der Mann aus dem Fenster fällt? Ihr geht ins Gefängnis! Lasst ihn in Ruhe, geht nach Hause!«
    Zum ersten Mal sagte das Gollum-Mädchen etwas. »Bist du ein Freund von ihm? Ein Komplize?«
    »Ach Schwachsinn, ich kenne den Typen überhaupt nicht«, rief Victor. »Aber ich kenne Erebos. Und ich schwöre euch: Erebos hat euch gelinkt. Was auch immer der Bote euch versprochen hat für … das da, ihr werdet es nicht kriegen. Lasst es. Geht.«
    »Wir haben bis jetzt alles gekriegt«, sagte die Scream-Maske. »Jedes einzelne Mal. Also rede nicht von Dingen, die du nicht verstehst.«
    »Genau«, ergänzte das dicke Alien. »Ihr seid nichts. Wir sind der Innere Kreis. Jetzt schwing dich aus dem Fenster, Ortolan.«
    Nun stand unübersehbare Angst in den Augen des Mannes.
    »Das kann ich nicht.«
    »Dann werde ich schießen müssen«, sagte Helen. Sie hob die Pistole und schoss knapp an ihm vorbei in die Wand.
    »Schon gut!«, brüllte Ortolan. »Ich tu es. Ich tu es, okay? Nicht noch einmal schießen.«
    Die Frau am Boden weinte jetzt lauter, hoffentlich machte sie niemanden vom Inneren Kreis nervös.

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