Erfindergeist
noch? Kohleverflüssigung, ja genau. Ach so, jetzt verstehe ich, Sie haben Angst um ihre Vormachtstellung auf dem Erdölmarkt. Ich muss Sie enttäuschen, soviel mir bekannt ist, hat er dieses Verfahren sogar öffentlich publiziert.«
Ich merkte deutlich, wie Al-Morany noch ärgerlicher wurde. »Dieses Verfahren meinen wir nicht. Obwohl Bosco uns damit damals schon einige schlaflose Nächte bereitet hatte.« Er winkte ab. »Das ist längst vergessen. Unsere Angst stellte sich als unbegründet heraus, denn bis jetzt hat niemand die Investition in solch eine Anlage gewagt. Außerdem gibt es ja noch unsere Lobbyarbeit bei Ihren Politikern und Managern. Das sage ich Ihnen jetzt natürlich nur inoffiziell. Sie können sich bestimmt denken, dass diese Personengruppen trotz ihres hohen Einkommens gerne mal kostenlose Fernreisen in Anspruch nehmen. Denn wer viel hat, will noch mehr. Nein, das ist für uns kein Thema mehr. Solange Deutschland versucht, in Speyer am Bonnetweiher nach Öl zu bohren, um auf diese Weise seiner Ölabhängigkeit entgegenzusteuern, kann uns das nur lieb sein.«
Ich konnte mich erinnern, irgendwann in der Zeitung gelesen zu haben, dass es unterhalb von Speyer tatsächlich geringe Ölvorkommen geben solle. Da dieses Öl aber in den Poren des Buntsandsteins gebunden war, sei die Gewinnung des Rohöls wirtschaftlich nicht einfach umzusetzen.
»Und um welche Erfindung geht es Ihnen dann?«, fragte ich verwirrt.
»Bosco hat ein Verfahren entwickelt, um aus Sand Energie zu gewinnen. Sie können sich vorstellen, welche katastrophalen Auswirkungen das auf unser Land hätte.«
»Energie aus Sand? Ich glaube eher, dass Sie zu viele Filme gesehen haben. Ist das Ihr Ernst?«
Amal Al-Morany antwortete mürrisch: »Woher sollten Sie das auch wissen? Sie sind ja nur ein einfacher Polizist und kein Fachmann, daher werde ich es Ihnen erklären. Der gesamte Erdmantel besteht etwa zu 15 Prozent aus Silizium. Gewöhnlicherweise ist das Silizium im normalen Sand gebunden. Ihr Freund hat ein Verfahren entwickelt, bei dem man Sand unter Zufuhr von Energie in Silizium und Sauerstoff aufspalten kann. Das brennbare Silizium kann so transportiert und an anderer Stelle zur Energiegewinnung verbrannt werden. Und genau diese Erfindung hat uns dieser Herr verkauft.«
Ich glaubte ihm kein Wort. So etwas würde Jacques nie machen. »Aha, gehe ich recht in der Annahme, dass mit dieser Erfindung die Energieprobleme der gesamten Menschheit für immer gelöst wären?«
»Seien Sie nicht naiv, Herr Palzki. Zur Aufspaltung des Sandes in Silizium und Sauerstoff müsste man mehr Energie aufwenden, als man durch die Verbrennung erhält. Das Verfahren ist absolut unwirtschaftlich.«
»Unter diesen Umständen verstehe ich nicht, warum Sie meinem Freund diese Erfindung abgekauft haben.«
»Es handelte sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme. Und unsere Befürchtungen haben sich nun bestätigt. Dieser Erfinder forschte trotzdem weiter und hat das Verfahren offensichtlich wirtschaftlich verbessert. Außerdem ist es inzwischen zumindest theoretisch möglich, brennbare Flüssigkeiten, sogenannte Silane, aus Silizium herzustellen. Wenn er das Problem der teuren Aufspaltung gelöst hätte, wäre dies der Untergang für unser Land. Jeder könnte an fast jedem Ort der Erde beliebig viel Energie produzieren. Das wäre unvorstellbar.«
»Jetzt verstehe ich Ihr Problem. Dabei handelt es sich jedoch eher um ein saudi-arabisches als um ein deutsches. Die Interessen meines Landes dürften da ein bisschen anders gelagert sein. Ich weiß allerdings immer noch nicht, welche Rolle ich dabei spiele.«
»Sie kannten den Mann. Wir wollen wissen, wo er sich in der letzten Zeit aufgehalten hat. Er muss geahnt haben, dass er beobachtet wurde. Dummerweise gelang es ihm meistens, seine Überwacher abzuschütteln. Nur einmal konnten wir ihn bis zu diesem Freizeitpark in Haßloch verfolgen.«
Oha, Jacques war also doch im Holiday Park gewesen. Ausgerechnet von einem Angehörigen des saudi-arabischen Geheimdienstes musste ich mir das mitteilen lassen.
»Da wissen Sie mehr als ich. Mir ist erst seit heute Morgen bekannt, dass Herr Bosco in letzter Zeit vermehrt außer Haus war. Wo er hingefahren ist? Ich habe nicht die geringste Ahnung. Falls Sie seinen Wagen finden, sagen Sie mir bitte Bescheid.« Nach einer kurzen Pause setzte ich nach: »Darf ich vermuten, dass Sie mit dem Einbruch in Herrn Boscos Wohnhaus in irgendeiner Verbindung stehen?«
Al-Morany lachte
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