Erfüllen Sie meinen Herzenswunsch, Mylord!
„Meinen Sie nicht, dass es unhöflich ist, halb bekleidet vor einer Dame zu erscheinen?“
„Das geht Sie nichts an.“
„Und ob es mich etwas angeht, denn es könnte sein, dass ich ein spezielles Interesse an der betreffenden Dame habe.“
Cecil lachte. „Ein spezielles Interesse, wie? Bei ihr werden Sie nicht weit kommen, Darton, das sagte ich bereits. Außerdem besitzt sie nichts, behauptet sie, auch wenn ich ihr nicht so recht glauben kann.“
„Besser, Sie täten es.“ Unvermittelt trat der Viscount auf ihn zu, packte ihn am Kragen und hob ihn hoch, sodass Cecil auf den Zehenspitzen stand. „Ein Gentleman stellt das Wort einer Dame nicht infrage.“ Lord Darton ließ ihn los und klopfte sich die Hände aus, als habe er sie sich beschmutzt. „Ich schlage vor, Sie kleiden sich erst einmal ordentlich an.“
Mit einem jähen Ruck zog Cecil sich den Morgenmantel glatt, machte auf dem Absatz kehrt und entschwand ohne ein weiteres Wort aus dem Speisesalon. Stacey lächelte zufrieden. Sein entfernter Vetter schuldete ihm eine beträchtliche Summe Geld, und solange zu hoffen stand, dass er seinen Verlust mit einem neuen Spiel ausgleichen konnte, würde Cecil ihm die Gastfreundschaft nicht kündigen. Sir Roland und Mr. Spike schuldeten dem Viscount ebenfalls Geld, und so war sein Aufenthalt in Easterley Manor für eine Weile gesichert.
„Sie haben also ein spezielles Interesse an mir, Mylord?“ Mrs. Hobarts Frage unterbrach ihn in seinen Überlegungen.
„Geben Sie nichts auf meine Worte …“, antwortete er schulterzuckend. „Manchmal sagt man etwas nur, um eine bestimmte Wirkung zu erzielen. Und wie Sie sehen, ist Sir Cecil fort.“
„Sie dagegen sind noch hier.“
„Und stehe Ihnen zu Diensten, Madam.“ Lord Darton verneigte sich schwungvoll.
„Ich brauche Ihre Dienste nicht“, entgegnete sie schnippisch. Was dachte er sich? Selbst wenn er zufällig zur richtigen Zeit gekommen war und sie in Schutz genommen hatte, hieß das nicht, dass er über sie verfügen durfte, wie es ihm beliebte.
„Nein? Vielleicht nicht.“ Er sah sie an und schmunzelte. „Ich habe Hunger.“
„Dann schlage ich vor, dass Sie sich am Büffet bedienen. Ich lasse derweil Kaffee bringen. Oder bevorzugen Sie Tee oder heiße Schokolade?“ Wieder konnte Charlotte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er sich über sie lustig machte.
„Kaffee bitte. Er wird mir helfen, munter zu werden.“
„Sie hätten früher zu Bett gehen sollen.“
„Es wäre unhöflich gewesen, wenn ich vorzeitig vom Spieltisch aufgestanden wäre.“ Seine Rechtfertigung erheiterte sie, und auch Lord Darton musste schmunzeln. „Ich möchte es vermeiden, unangenehm aufzufallen, wissen Sie“, erklärte er und wurde ernst. „Das wäre der Sache nicht dienlich.“
Der Sache? Verwirrt fragte Charlotte sich, was er meinte. Sicher wollte er ihr nicht zu verstehen geben, dass er sich ihretwegen mit Cecil gut zu stellen wünschte. Sein Interesse bestand schließlich bestenfalls darin, sich ihr aufzudrängen und sie vor Cecils Augen zu demütigen. Die übrigen Gäste verhielten sich nicht anders; es war eine Art Spiel für sie, Charlottes Beherrschung auf die Probe zu stellen.
Lord Darton gab ihr Rätsel auf. War er eben noch höflich und zuvorkommend und benahm sich wie ein vollendeter Gentleman, gebärdete er sich im nächsten Augenblick ausgesprochen schroff und unmanierlich. Manchmal zeigte er sich fürsorglich und war bedacht auf ihr Wohlergehen, beinahe so, als wisse er um ihren schweren Stand und fühle mit ihr. Ein anderes Mal verhielt er sich abstoßend wie die anderen Männer oder übertraf diese sogar, wenn es darum ging, aufdringlich zu werden – denn nur er hatte bislang gewagt, sie zu küssen. Das Blut stieg ihr in die Wangen, und zutiefst verlegen wollte sie sich abwenden.
Der Viscount kam ihr zuvor und ergriff ihre Hand. „Mrs. Hobart, ich bitte Sie, mich als Ihren Freund zu betrachten. Nur darum geht es mir. Jeder braucht irgendwann einmal einen Verbündeten.“
Charlotte machte sich los und wich zurück. „In diesem Haus wird kein Krieg ausgetragen, Mylord. Sie müssen mir nicht zur Seite stehen, als befänden wir uns in einem Gefecht.“
„Wie Sie wünschen, Madam.“
Stacey wusste, dass er sich auf einer Gratwanderung befand; ein falscher Schritt, und Cecil würde auffallen, dass er nicht nach Easterley Manor gekommen war, um sich zu amüsieren, sondern um seine Schwägerin zu beschützen. Verhielt er sich indes so
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