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Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück

Titel: Erik der Rote oder die Suche nach dem Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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hinzu: »Das Kostgeld wollte ich durch Arbeit verdienen.« Wie kleine Schlangen ließ sie ihre Finger spielen. »Diese Hände können Wunder bewirken, glaub es. Nur wenn du nicht ganz zufrieden mit mir sein solltest, werde ich dich aus meinem Vermögen entschädigen.«
    Dass überhaupt etwas Hacksilber vorhanden war, beruhigte den Bauern. Mit der Antwort nahm er sich Zeit, schließlich zuckte Spott in seinen Mundwinkeln: »Einverstanden. Wir versuchen es ein paar Tage. Du kannst mit der Frau und den Mägden auf die Wiesen. Das Gras muss gewendet werden.«
    »Ins Heu? Ich? Willst du mich kränken?« Gleich fasste sich Thorgunna wieder. »Ach, ich verstehe, du möchtest mich stets im Auge behalten. Na gut. Ich beweise dir, wo auch immer, dass ich mehr leiste, als du erwartest.«
    Am dritten Morgen spannte sich ein klarer, tiefblauer Himmel über dem Breidafjord. Die Morgensonne ließ das Haupt des Schneefelsgletschers erglühen, kein Nebelmantel, nicht einmal ein dunstiger Schleier lag auf den Schultern des Unberechenbaren. Wie ein Wächter schien er hinunter ins Tal von Frodisach zu starren.
    Früh brachen die Bauersleute auf. Thorrod traf seine Anweisungen. Den Knechten befahl er, das schon getrocknete Heu einzufahren. Die Frauen hingegen sollten das noch feuchte Gras wenden. Er führte Thorgunna zur großen Wiese nahe dem Hof und teilte die Fläche in drei Streifen. »Du übernimmst das Mittelstück. Bin ja gespannt, wie lange deine Hände den Rechen halten können.«
    Gleich den anderen Frauen trug sie ein loses, graues Kittelhemd, ihr Haarzopf war unter einem Tuch verborgen. Böse funkelte sie ihn an. »Spotte nur. Jetzt bin ich deine Magd. Aber es wird dir nichts helfen, zum Schluss gewinne ich immer. Noch ehe das Frühjahr kommt, liegst du vor mir auf den Knien.«
    »Sei nicht so sicher.« Er ballte die Faust. »Glaubst du, ich wüsste nicht, was du vorhast? Aber mich kannst du nicht in Unruhe bringen. Bei Gott dem Allmächtigen, ich hab ein Weib und das genügt mir.« Schnell bekreuzigte er sich und befahl: »Arbeite gut, dann bekommst du auch satt zu essen!« Mit weit ausholenden Schritten ging er zu den anderen Frauen.
    »Der Teufel soll dich holen«, zischte Thorgunna und schlug den Rechen ins Gras, wirbelte es hoch und schlug wieder den Rechen ins Gras.
    Gegen Mittag verzichtete sie auf die Pause, arbeitete weiter, sogar Wasser gegen den Durst lehnte sie ab. Kopfschüttelnd sah ihr Thurid mit den Mägden vom Rand der Wiese zu. »Sie schafft wie drei.«
    Am späten Nachmittag stand unvermittelt eine tiefschwarze Wolke über dem Fjord, langsam zog sie näher. Über Frodisach ballte sie sich zu einer riesigen Faust.
    »Wir bekommen Regen!«, schrie Thorrod den Frauen zu. »Schichtet das Gras. Damit wenigstens etwas trocken bleibt. Dann lauft ins Haus!«
    Überhastet rafften sie Heuhaufen zusammen. Die Wolke sank tiefer und tiefer. Dunkelheit fiel über Frodisach. Kaum noch war der Rand der Wiese auszumachen.
    »Hört auf! Sorgt dafür, dass ihr nicht nass werdet!«
    Mägde und Knechte ließen Karren und Geräte zurück, rannten und suchten Schutz unter dem Vordach der Scheune.
    »Wo ist Thorgunna?«, keuchte die Hausfrau.
    Thorrod zeigte zur Wiese hinüber. »Dieses verfluchte Weib!«
    Trotz des drohenden Unwetters war sie draußen geblieben, hatte kein Heu aufgeschichtet, sondern schwang den Rechen unermüdlich weiter. »Mit Absicht gehorcht das Weib nicht.«
    Finsternis breitete sich aus. Nur noch ein grau umrissener Schemen war von der einsamen Gestalt draußen auf der Wiese zu erkennen.
    Die Wolke öffnete sich. Aus dem Schwarz stürzte ein Schwall, lautlos und doch so urgewaltig, dass sich die Hofleute blind vor Angst zusammendrängten. Jäh riss das Unwetter ab, die Wolke wurde wieder zur Faust, stieg an und fuhr in Richtung des Schneefelsgletschers davon. Heller wurde es. Der Bauer trat ins Freie und starrte der Wolke nach, sie nahm an Größe ab und als sie das Haupt des Unheimlichen fast erreicht hatte, löste sie sich auf. Gleißend strahlte die Sonne wieder über Frodisach.
    »Thorrod! Da! Ein Wunder«, stammelte die Hausfrau und wies entsetzt zur Wiese. »O heilige Maria, schütze uns!«
    Blut, ein tiefrotes Laken hatte sich ausgebreitet. Und inmitten der Lache arbeitete Thorgunna, blutbesudelt vom Kopftuch bis zu den Füßen. Sie schlug den Rechen, warf das verklebte Heu und schlug den Rechen.
    »Kümmer dich nicht um sie«, raunte Thorrod. »Geh mit den Mägden zurück und reißt die Haufen

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