Erinnerung Des Herzens
einfach auf der Rezeptionsablage. Sie kümmern sich darum, aber es ist unwahrscheinlich, dass irgendjemand bemerkt hat, wer ihn dort hingelegt hat.«
»Es kommen alle möglichen Leute in Frage, jeder, der wusste, dass ich herkommen würde, um deinen Vater zu interviewen.«
»Und wer wusste das?«
Sie stand auf und ging zu dem fahrbaren Speisetischchen hinüber. »Ich habe kein Geheimnis daraus gemacht. Eve, natürlich. Nina, Travers, CeeCee, Lyle, Drake müssen es gewußt haben. Dann alle, die einen von ihnen gefragt haben. Wie du es wahrscheinlich gemacht hast, oder?«
Trotz der Situation amüsierte es ihn, dass sie die Schale mit Shrimpsalat mitnahm, als sie wieder auf und ab ging. Sie stopfte sich energisch die Bissen in den Mund. »Travers hat es mir erzählt. Nun zum nächsten Problem. Was willst du unternehmen?«
»Unternehmen? Ich sehe keine andere Möglichkeit als die Zettel zu ignorieren. Ich sehe mich nicht auf dem Wege zu Scotland Yard.« Diese Vorstellung und das Essen verbesserten ihre Laune. Ruhiger geworden stellte sie die fast leere Schale ab und nahm sich noch ein Glas Champagner. »Inspektor, irgendjemand hat mir einen Zettel geschickt. Nein, eine echte Drohung war es eigentlich nicht. Eher ein Sprichwort. Setzen Sie Ihren besten Mann auf die Sache an.«
Normalerweise hätte er es bewundernswert gefunden, dass sie sich nicht unterkriegen ließ. Aber jetzt erschien ihm nichts mehr normal. »Als du den Umschlag geöffnet hast, fandest du es nicht so spaßig.«
»Nein, das stimmt. Aber das war bestimmt ein Fehler. Wie kann ich mich von jemandem verrückt machen lassen, der nicht wenigstens etwas originellere Einfälle hat?«
»Weißt du, ich halte das für recht gut eingefädelt.« Als er auf sie zukam, sah sie, dass er auf ihren Versuch, die Sache zu ironisieren, nicht eingegangen war. »Wenn derjenige, der die Zettel geschickt hat, gefaßt würde, wäre das für die Polizei doch kaum interessant - alles harmlose, allgemein bekannte Sprichwörter. Es dürfte schwierig sein, den Nachweis zu führen, dass sie irgendeine bedrohliche Bedeutung haben. Aber wir wissen es besser.«
»Wenn du damit sagen willst, dass ich das Buchprojekt aufgeben soll ...«
»Ich denke, ich habe jetzt begriffen, dass das zwecklos wäre, Julia. Aber grenz mich nicht länger aus.« Er legte ihr ganz sanft die Hand aufs Haar. »Laß mich die Bänder abhören. Ich will dir helfen.«
Diesmal konnte sie ihn nicht wieder abweisen. Es lag keine Arroganz in seiner Bitte, und sie wurde auch nicht von seinem Ego bestimmt. Es war Liebe. »In Ordnung. Sobald wir wieder heimkommen.«
Julia hatte sich keine vorgefaßte Meinung über Rory Winthrops gegenwärtige Ehefrau gebildet. Was immer sie auch erwartet haben mochte, als sie Lily Teasbury kennengelernt hatte, konnte sie ihr keine anderen Gefühle entgegenbringen als Zuneigung und Bewunderung.
Auf der Leinwand spielte die Schauspielerin meist eine überschäumende Heroine, was gut zu ihrer tollen Figur, den blonden Haaren und den unschuldigen blauen Augen passte.
Auf den ersten Blick hätte man sie für eine Frau halten können, die gern und viel kicherte und alberte.
Aber Julia brauchte keine fünf Minuten, um dieses Urteil zu revidieren. Lily war eine scharfsinnige, witzige, ehrgeizige Frau, die ihr Aussehen ganz gezielt einsetzte, ohne sich davon leiten zu lassen. Sie passte ausgezeichnet in den traditionellen Salon des Hauses in Knightsbridge und wirkte in ihrem einfachen blauen Kleid von Givenchy sehr kühl, sehr britisch und sehr weiblich.
»Ich habe mich schon gefragt, wann du uns endlich besuchen kommst«, sagte sie zu Paul, als sie die Aperitifs servierte. »Wir sind schon drei Monate verheiratet.«
»Ich komme nicht oft nach London.«
Julia empfand Bewunderung dafür, wie leicht und mühelos Lily dem langen, durchbohrenden Blick Pauls standhielt.
»Ja, das habe ich gehört. Nun, du hast dir leider eine schreckliche Jahreszeit ausgesucht. Sind Sie zum ersten Mal in London, Miss Summers?«
»Ja.«
»Scheußlich, dieser Schneeregen. Aber andererseits sage ich mir immer, es ist vielleicht am besten, wenn man eine Stadt in ihrem schlimmsten Zustand kennenlernt, ebenso wie einen Mann, denn nur dann kann man sich darüber klarwerden, ob man wirklich in der Lage ist, mit all ihren oder seinen Fehlern zu leben.« Lily setzte sich hin, lächelte und nippte an ihrem Wermut. »Das ist Lilys subtile Art, mich daran zu erinnern, dass sie all meine Fehler kennt«, warf Rory
Weitere Kostenlose Bücher