Erinnerung Des Herzens
seiner Arbeit sehen konnte.
Am Ende des Ganges befand sich eine dicke, in kühnen Farben bemalte Doppeltür. Travers klopfte nicht an, sondern riß sie einfach auf. Im gleichen Augenblick hörte man lebhafte, muntere Musik und dazu Eve, die ausgiebig fluchte.
Nie hätte Julia diesen Saal einfach als Fitnessraum bezeichnet. Trotz seiner Ausstattung mit allen möglichen Sportgeräten, den schrägliegenden Brettern, der mit Spiegelglas verkleideten Wand und der Ballettstange, wirkte er elegant. Ein Trainingspalast, könnte man vielleicht sagen, dachte Julia amüsiert und schaute sich das Deckengemälde an, auf dem stromlinienförmige Art-Deco-Figuren dargestellt waren. Licht fiel in gebrochenen Regenbogenfarben durch drei farbige Glasfenster ein. Nein, Palast stimmt auch nicht, dachte Julia. Es ist ein Tempel, errichtet zu Ehren des selbstgefälligen Gottes des Schweißes.
Der Fußboden war mit auf Hochglanz poliertem Parkett bedeckt. Eine glitzernde Bar aus Rauchglas, komplett ausgestattet mit Kühlschrank und Mikrowellenherd, nahm eine ganze Wand ein. Das Glas war mit Feuchtigkeit beschlagen. Die Musik kam aus einem hochmodernen Stereogerät, das von Begonien topfen und Feigenbäumen flankiert wurde.
Eve lag auf einer Bank und stemmte mit den Beinen eine Stange mit Gewichten hoch. Neben ihr stand Mr. Muskelpaket. Julia war vorübergehend nicht mehr ganz bei sich, als sie ihn ansah, und vergaß, Luft zu holen. Er musste fast sieben Fuß groß sein - ein nordischer Gott, dessen Bronzekörper nichts weiter trug als eine unglaublich knappe Badehose. Um die Brust hatte er ein weißes Band gebunden, die beiden losen Enden schlängelten sich über seine muskulösen Hüften.
Sein goldblondes Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz frisiert, und mit seinen eisblauen Augen schien er zufrieden zu lächeln, als Eves Flüche lauter und deftiger wurden.
»Zum Teufel damit, Fritz.«
»Noch fünf, meine schöne Blume«, sagte er. Sein musikalisches, ausgezeichnetes Englisch rief in Julia den Eindruck von Seen und Bergen wach.
»Du bringst mich um.«
»Ich mache dich stark.« Während sie sich weiter abquälte, legte er eine Hand auf ihren Oberschenkel und drückte zu. »Du hast den Muskeltonus einer Dreißigjährigen.« Dann gab er ihr einen zärtlichen kleinen Klaps aufs Hinterteil.
Schweißtriefend zischte sie: »Falls ich jemals wieder gehen kann, werde ich dir einen Tritt in deine riesigen Eier versetzen.«
Er lachte, gab ihr noch einen Klaps und nickte dann Julia zu.
»Hallo.«
Es war der ungeeignetste Augenblick. Eves Anspielung folgend, hatte Julia gerade den Blick gesenkt und festgestellt, dass sie keineswegs übertrieben hatte. Verlegen sagte sie: »Es tut mir leid. Ich will nicht stören.«
Eve brachte es irgendwie fertig, die Augen zu öffnen. Wenn sie noch genügend Kraft dafür gehabt hätte, hätte sie angefangen zu kichern. Die meisten Frauen bekamen diesen abwesenden, verlorenen Blick, wenn sie Fritz zum ersten Mal sahen. Sie freute sich, dass Julia nicht immun dagegen war. »Dem Himmel sei Dank, geschafft. Travers, geben Sie mir irgend was sehr Kaltes zu trinken - und tun Sie etwas Arsen hinein für meinen Freund.«
Wieder lachte Fritz. »Trink ein wenig, dann werden wir an deinen Armen arbeiten. Du willst doch nicht, dass die Haut herunterhängt sie beim Hals eines Truthahns.«
»Ich kann später wiederkommen«, sagte Julia, als Eve sich umdrehte.
»Nein, bleiben Sie hier. Er ist fast fertig damit, mich zu foltern. Stimmt's Fritz?«
»Genau.« Er nahm den Drink, den Travers ihm anbot, und leerte das Glas mit einem Zug, bevor diese zur Tür hinausgeschlurft war. Während Eve sich den Schweiß vom Gesicht wischte, musterte er Julia. Sie fühlte sich sehr unbehaglich unter seinem Blick. Genauso schaute Brandon, wenn man ihm einen hübschen, biegsamen Klumpen Modellierton gab. »Sie haben gute Beine. Trainieren Sie?«
»Nein.« Das war eine nicht ungefährliche Äußerung in Südkalifornien, sagte sie sich. Menschen waren schon für weniger gehängt worden. Sollte sie sich entschuldigen? Er durchquerte den Raum und fing an, ihre Arme abzutasten.
»Hey, ich ...«
»Magere Arme.« Sie riß den Mund auf, als er mit der Hand über ihren Magen glitt. »Guter Bauch. Wir können Sie aufbauen.«
»Danke vielmals.« Seine Finger fühlten sich an wie Eisenstangen, sie riskierte es lieber nicht, ihn zu ärgern. »Aber ich habe wirklich keine Zeit.«
»Sie müssen sich Zeit nehmen für Ihren Körper«, erklärte
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