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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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in die andere Richtung zurück. Dann räusperte er sich und gab sich allergrößte Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Ihr Verstand. Er hatte ihr erklärt, wie sie ihren Verstand schützen konnte. „Du musst dich als Hüterin der Mauer sehen, die du gebaut hast“, sagte er. „Du kannst den anderen nach Gutdünken Nachrichten schicken und …“
    „Das kann ich?“
    Er sah sie wieder an, bemerkte das Staunen darin. Noch vor wenigen Augenblicken waren sie voller Leidenschaft gewesen, als sie beide dasselbe empfanden. Aber sie hatte sich so sehr bemüht, es zu verbergen, wie er. Und sich stattdessen auf seine Worte konzentriert. Worte, die an der Oberfläche eines stillen Sees schwebten, während tief unter ihnen das Chaos brodelte.
    Im Moment sah sie so unschuldig aus. So überrascht von dem, was er ihr erzählte. Er ertappte sich dabei, wie er sie fast angelächelt hätte, und beherrschte sich blitzschnell. „Natürlich kannst du das. Und du kannst auch die Gedanken von anderen hören.“
    „Ja“, sagte sie ganz leise. „Die höre ich. Von allen, andauernd. Das macht mich wahnsinnig. Wie ein unablässiges Brüllen in meinem Kopf, aber nichts wird klar. Alles durcheinander und unverständlich. Ich …“ Sie sah hastig auf, als wäre das eben Gesagte ohne ihre Zustimmung über die Lippen gekommen. Als hätte sie eben erst festgestellt, dass sie sich mit ihm unterhielt, als wäre er kein Monster. Und sie kniff den Mund zu und schüttelte unmerklich den Kopf.
    Das erboste ihn. Dennoch redete er mit ihr. „Deine Mauer lässt nur die Botschaften durch, die du empfangen willst. Alle anderen prallen daran ab wie schlecht gezielte Pfeile.“
    Sie zog die Brauen hoch und sah ihn zweifelnd, aber doch voller Hoffnung an, das spürte er.
    Er schüttelte den Kopf und blickte starr geradeaus, um das Misstrauen in ihren Augen nicht mehr sehen zu müssen. „Versuch es doch selbst, wenn du so sicher bist, dass ich lüge. Na los doch. Konzentrier dich. Bau deine Mauer.“
    Ihre Lippen wurden schmal, sie verdrehte die Augen, aber Sekunden später sah er, wie sie sich zurücklehnte, entspannte und innerlich auf alles konzentrierte, was er ihr gesagt hatte. Er ließ ihr Zeit, wartete mehrere Augenblicke, fuhr langsam und betrachtete die Küste, die in Sicht kam.
    Und dann sandte er seine geistigen Fühler tastend und sondierend zu ihr. Und fand ihre Mauer. Fühlte sie, eine baufällige Barriere. Mit seinem stärkeren Willen hätte er sie durchbrechen können, doch mit der Zeit würde ihre Verteidigung stärker werden.
    „Sehr gut“, sagte er. „Wirklich nicht schlecht.“
    Sie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Du versuchst mich mit diesem Unsinn zu verwirren.“
    „Wirklich?“, fragte er. Dann konzentrierte er sich auf ihre Gedanken und teilte ihr in Gedanken mit: Wir sind nicht mehr weit vom Meer entfernt, Angelica. Siehst du es in der Ferne?
    Er sah, wie sie erstarrte und sich zu ihm umdrehte, als hätte er laut gesprochen. Sah sie zusammenzucken, als sie feststellte, dass er die Lippen nicht bewegte. Sah sie in die Richtung blicken, die er im Geiste genannt hatte, und die Atlantikküste in sich aufnehmen.
    „Das ist … ist unheimlich. Und unnatürlich“, flüsterte sie.
    „Nein, für uns nicht. Und es kann verdammt praktisch sein. Besonders wenn man in einer Klemme steckt. Man kann seinen Hilferuf über Meilen senden und andere rufen.“
    Sie senkte den Kopf, schüttelte ihn. „Ich würde lieber das Risiko eingehen, schönen Dank auch“, sagte sie.
    „Und warum, Angelica?“
    Sie hob Brauen und Schultern gleichzeitig. „Aus demselben Grund, warum es unklug ist, Geschäfte mit dem Teufel zu machen, Vampir“, sagte sie. „Man kann ihm nicht vertrauen. Nichts, das auf wahrem Bösen basiert, kann man vertrauen.“
    „Also sind wir jetzt wie Satan persönlich, ja? Böse? Nicht vertrauenswürdig? Ich wusste gar nicht, dass du in so enger Verbindung mit dem Allmächtigen stehst, Angelica. Hat er dir das alles persönlich gesagt? Oder fällst du dein Urteil über mich ohne göttlichen Zuspruch?“
    „Ich muss kein Urteil über dich fällen“, flüsterte sie. „Du hast dein wahres Ich schon gezeigt. Du hast dich als mein Retter ausgegeben und bist zu meinem Entführer geworden. Ich werde nicht den Fehler machen und deiner Art noch einmal vertrauen.“
    „Wenn man mir nicht trauen kann, heißt das nicht zwangsläufig, dass man keinem Vampir trauen kann, oh Engel der Weisheit. Und da wir schon dabei

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