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Erlöst mich: Thriller (German Edition)

Erlöst mich: Thriller (German Edition)

Titel: Erlöst mich: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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Tina folgte mir.
    Ein hoher Maschendrahtzaun umgab den kleinen steinernen Pier und das dazugehörige Wachhäuschen. Drinnen brannte Licht, und ich konnte die Silhouette eines Mannes ausmachen, der eine Basecap trug. Hinter dem Wachhäuschen schaukelte ein halbes Dutzend Außenborder auf den Wellen. Doch die interessierten mich weniger. Was mich wirklich interessierte, war das nagelneue Schnellboot am Ende des Piers.
    Ich zog den Revolver. Ich hatte noch fünf Schuss. Nicht viel, aber es musste reichen.
    »Ich muss den Wachmann ausschalten. Warte hier.«
Tina sog hörbar die Luft ein.
    »Keine Sorge, ich tue ihm nichts«, nahm ich ihre Bemerkung vorweg und ging dann zum Häuschen hinüber. Der Wachmann – ein schon älterer, mit Brille und absolut harmlos – sah von dem kleinen tragbaren Fernseher auf. Ich hielt ihm zur Begrüßung die Kanone an den Kopf, als wäre es die natürlichste Sache der Welt.
    »Steh auf, nimm vorsichtig deine Pistole aus dem Halfter und leg sie auf den Tisch. Dann streckst du schön die Hände in die Luft.«
    Es verlief glatt. Er hatte nicht vor, irgendetwas zu riskieren. Ich versicherte ihm, ihn nicht zu verletzen, doch etwas in meinem Verhalten musste seine Zweifel geweckt haben, denn er bat mich zwei Mal, ihn nicht zu töten. Ich fesselte ihn mit seinen eigenen Handschellen, nahm ihm das Handy und die Schlüssel für das Schnellboot ab und sperrte ihn in den winzigen Lagerraum. Ich stellte eine Flasche Wasser dazu – wenn er Durst bekam, würde er es schon schaffen, daraus zu trinken.
    Fünf Minuten später legten wir dröhnend vom Pier ab, und zwanzig Minuten darauf erreichten wir die Westküste von Verde Island, eine felsige und dicht bewachsene Halbinsel, die weitgehend menschenleer wirkte. Tina lehnte an der Reling und starrte hochkonzentriert zu Boden, in der Hand die unvermeidliche Zigarette.
    Als wir die Südspitze umrundeten, nahm ich das Gas weg und ließ das Boot gleiten. »Hier bin ich immer zum Tauchen hergekommen«, flüsterte ich und deutete auf ein paar Felsen, die ein paar Meter aus den Wellen ragten und sich vom Abendhimmel abzeichneten. Ich dachte an die glücklicheren Zeiten zurück, an das einfache und unkomplizierte
Leben, und spürte wieder das klamme Gefühl in der Brust.
    »Von oben sieht es nicht besonders aus, aber unter Wasser findest du die größte Fischvielfalt der ganzen Philippinen. Bist du schon mal getaucht?«
    Tina rang sich ein schmales Lächeln ab. »Vor einer Ewigkeit, ja. Bevor ich zur Polizei ging und alles ruiniert habe. Nur um in einer Situation wie dieser hier zu landen.«
    Sie schnipste die Zigarette über Bord und zog Heeds Revolver aus ihren Shorts. Sie checkte die Trommel und ließ sie wieder einrasten. Unsere Blicke trafen sich.
    »Ich bin bereit. Nur damit du’s weißt.«
    »Ich weiß. Ich auch.«
    Und das war ich jetzt tatsächlich. Ich fühlte mich ruhiger, hatte beinahe Frieden mit mir gemacht. Wusste, dass ich das Richtige tat.
    »Nachdem wir angelegt haben, schleichen wir uns zum Haus. Ich weiß nicht, wer oder was uns dort erwartet. Kann sogar sein, dass Wise gar nicht da ist, aber wenn, dann wird er Leibwächter haben. An die müssen wir rankommen und sie möglichst leise ausschalten. Das heißt, ich benutze das Messer.« Ich tätschelte meine Tasche, in der sich das Schweizer Armeemesser befand. Ich verspürte kein großes Verlangen danach, es noch einmal auf dieselbe Art zu benutzen wie vorgestern Nacht. Jemanden zu erstechen, hat mir immer Übelkeit verursacht, die Intimität dabei ist zu heftig, aber manchmal bleibt einem keine Wahl. »Es wird eine Schweinerei geben, bei der Leute sterben. Anders wird’s nicht gehen.«
    Sie nickte.
    »Wichtig ist nur, dass wir Wise am Leben lassen, bis wir
die Bombe gefunden haben, oder zumindest erfahren, wo sie ist und wer sie jetzt hat. Danach …«
    Ich ließ den Satz unvollendet. Wir wussten beide, was danach geschehen würde.
    Vergeltung.
    Ich steuerte das Boot, Untiefen vermeidend, um die Felsen herum, und nach ein paar Minuten erreichten wir die Ostseite der Insel. Hier waren noch weniger Lichter zu erkennen, dafür konnte ich die Umrisse der Häuser ausmachen, die in großen Abständen oben am Rand des Abhangs standen. Dahinter befand sich dichter Regenwald. Ich erkannte Wise’ Villa von dem Google-Earth-Foto. »Da oben ist es«, sagte ich und deutete auf das erste Haus, eine riesige Villa, die über einen gut beleuchteten Weg mit einem abgeschlossenen Privatstrand verbunden

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