Erntedank
ausfallen, als wenn Sie endlich zugeben, was Sie getan haben.«
Etwa zwanzig Sekunden taxierten sie sich gegenseitig, dann fing Brentano an zu brüllen: »Bluatsakra, i kann doch nix zugebn, was i nicht gmacht hab.«
»Wir wissen aber, dass Sie es waren. Gerade haben wir den endgültigen Beweis dafür erhalten«, erwiderte Kluftinger sachlich und leise.
Wieder sah Brentano verwirrt die anderen Kollegen an, die mit verschränkten Armen um den Tisch herum standen.
»Was? Was soll denn des? Isch des so ein Polizischtentrick?«
»Wir brauchen keine Tricks, Herr Brentano. Nicht für Sie.«
Dann nahm er den Computerausdruck aus der Tasche und schob ihn kommentarlos seinem Gegenüber hin.
Brentano begann zu lesen und blickte den Kommissar fragend an.
»Soll i Ihnen des jetzt aufsagen?«
Nun riss Kluftinger Geduldsfaden und er begann zu schreien: »Ja. Am besten lesen Sie mal den Namen vor, der da ganz unten steht.« Dabei zeigte er mit dem Finger auf den Autorenverweis. Brentano bekam große Augen: »Das … das ist nicht von mir. I kann gar it dichten, ehrlich.«
»Natürlich ist es nicht von Ihnen«, sagte Kluftinger nun wieder gefasst. »Es ist von einem berühmten Dichter der Romantik. Clemens Brentano, den kennt doch wohl jeder.«
»Ja also! Was wollens dann von mir? I sag ja, dass i des nicht g’schrieben hab.«
»Geschrieben nicht, Herr Brentano. Das ist uns schon klar. Aber verschickt, gell?«
»I versteh kein Wort.«
»Machen Sie ruhig so weiter. Sie tun sich damit keinen Gefallen, das kann ich Ihnen versichern. Aber das ist Ihr Problem.«
»Himmelherrgott, an wen soll i des denn verschickt haben?«
»An mindestens ein Opfer, Herr Brentano. Wir haben herausgefunden, dass Frau Heiligenfeld kurz vor ihrem Tod von Ihnen einen kleinen Brief mit diesem Gedicht bekommen hat.«
Brentano wurde blass.
»Vielleicht wäre es jetzt langsam Zeit für ein Geständnis?«
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Brentano antwortete. Langsam, nicht mehr so selbstsicher wie zuvor, suchte er sich die Worte zusammen: »I … denk, es … es wär vielleicht besser, wenn i jetzt einen Anwalt anruf.«
Kluftinger nickte. Er schaute über die Schulter und die anderen Kollegen nickten ebenfalls. Dann erhob er sich und ging nach draußen. Bevor er die Tür hinter sich zugezogen hatte, rief ihn Brentano noch einmal zurück.
»Eins sag i Ihnen, Herr Kommissar. So wenig, wie i des Gedicht g’schrieben hab, hab i irgend jemand um’bracht.«
Der Kommissar sah ihm lange in die Augen und schloss dann die Türe.
***
»Das war’s dann wohl, oder?«, wollte Maier in Kluftingers Büro wissen.
»Scheint wirklich so«, entgegnete der Kommissar. »Allerdings müssen wir schon noch ein paar Dinge erledigen. Zum einen haben wir immer noch kein Motiv für die Heiligenfeld-Sache. Zum anderen müssen wir wissen, ob Sutter auch so einen Brief erhalten hat.«
Die Kollegen pflichteten ihm bei. Kluftinger griff zum Telefon und wählte die Nummer von Sutters Frau. Er hatte den Lautsprecher seines Telefons eingeschaltet, so dass die Kollegen das Gespräch mithören konnten.
»Allo? Bei Sütter?«, meldete sich das französische Au-Pair-Mädchen.
Kluftinger warf Hefele einen vielsagenden Blick zu, den dieser mit einem Grinsen beantwortete.
»Guten Tag, Fräulein Jacqueline. Ist die Dame des Hauses auch zu sprechen?«, fragte er und bemühte sich dabei, besonders deutlich und langsam zu sprechen.
»Un moment, s’il vous plaît.«
Es dauerte ein paar Sekunden, dann meldete sich eine andere Stimme: »Herr Kommissar? Haben Sie ihn?«
»Grüß Gott, Frau Sutter. Sagen wir mal so: Es gibt eine sehr heiße Spur. Mehr kann ich Ihnen im Moment nicht sagen, ich hoffe, dafür haben Sie Verständnis.«
»Ja, sicher. Es reicht mir schon, wenn Sie mir sagen, dass Sie nahe dran sind. Das beruhigt.« Ihre Stimme zitterte ein wenig.
»Frau Sutter, ich brauche Ihre Hilfe. Können Sie sich erinnern, dass Ihr Mann kurz vor … nun ja, der schrecklichen Sache, also dass er da einen ungewöhnlichen Brief bekommen hat?«
Die Antwort kam nach einer kurzen Pause: »Nein, keine ungewöhnliche Post. Das wüsste ich. Die Privatkorrespondenz hat mein Mann komplett mir überlassen. Das wüsste ich definitiv.«
»Hm. Lassen Sie mich etwas konkreter fragen: Hat ihr Mann einen Brief bekommen, in dem nur eine Strophe eines Gedichtes enthalten war? Ohne Absender und sonstigen Text?«
»Nein, wirklich, Herr Kommissar, das wäre mir aufgefallen.«
Kluftinger
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