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Ernten und Sterben (German Edition)

Ernten und Sterben (German Edition)

Titel: Ernten und Sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter M Hetzel
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also drei Viertel der Bewohner von Klein-Büchsen. Viele Touristen waren als Pärchen unterwegs und verhielten sich unauffällig. Dazwischen waren etliche Singles ganz offensichtlich auf der Jagd nach einem Partner. Plötzlich hatte Albertine eine Erscheinung. Sie glaubte, die markanten Gesichtszüge von Mel Gibson entdeckt zu haben. Der Mann zog sie magisch an, auch weil er den Augenkontakt suchte und geheimnisvoll lächelte. Doch je näher sie ihm kam, desto kleiner wirkte er.
    Hubertus packte Albertine am Arm und hielt sie zurück. »Was hast du denn vor? Seit wann bist du eine Nymphomanin?«
    »Keine Ahnung.« Albertine blinzelte, als würde sie Hubertus erst jetzt erkennen. »Irgendetwas Besonderes geht von diesem Charakterkopf aus. Ich weiß nicht, was, aber seine Ausstrahlung ist geradezu überirdisch.«
    »Dann müssen wir jemanden finden, der diesen Typ kennt.« Ohne Albertine loszulassen, steuerte Hubertus auf die Witwe des Bürgermeister zu. Doch Frau Focken konnte den Fremden nicht begutachten, weil er buchstäblich von der Bildfläche verschwunden war. Auch Egon-Erwin hatte kein Foto von ihm gemacht.
    Dann drangen Wortfetzen über den üblichen Geräuschpegel hinweg, die auf Friedhelm sichtlich eine magnetische Anziehungskraft ausübten.
    »Habt ihr gehört?«, rief er. »Gleich beginnt bei Bauer Strunk der erste Teil der Bauern-Olympiade. Herrlich! Darauf habe ich mich schon die ganze Zeit gefreut.« Im Laufschritt folgte er dem Pulk von Schaulustigen.
    Bauer Strunk hatte zehn seiner Kühe auf der Weide festgebunden und wartete auf die Kandidaten. Hundert Euro Teilnahmegebühr hatte jeder zu entrichten. Damit wurde ein Fresskorb mit frisch geschlachtetem Rind finanziert, der dem Sieger überreicht wurde. Der Erlös des Wettkampfs wurde der Jugendfeuerwehr gespendet, genau wie die Gewinne aus den Wetteinsätzen. Es herrschte eine Bombenstimmung. Das halbe Dorf war bereits zünftig alkoholisiert, sodass hier und da Schlachtgesänge zu hören waren. Die Kleinsten übten sich im Nahkampf, sodass sie für Prügelorgien als Erwachsene gut trainiert waren. Babys brüllten wie am Spieß, weil ihre Luftballons in Kuhform sich selbstständig gemacht hatten. Dazwischen wirkten die Teenager im Knutschwahn wie Inseln der Seligkeit.
    Die zehn Teilnehmer waren schnell ermittelt. Friedhelm musste als Ortsfremder die doppelte Teilnahmegebühr zahlen, eine Summe, die er noch einmal verdoppelte. Deshalb war er seit Jahren ein gern gesehener Gast bei der Bauern-Olympiade.
    Leider war das Melken seine schwächste Disziplin. Entweder stellte er sich einfach nur ungeschickt an, oder seine Hände waren zu kalt. Obwohl er eifrig bei einem befreundeten Bauern im Alten Land trainiert hatte, waren Ziegen doch nicht mit einer fetten Schwarz-Weißen zu vergleichen. Die Euter erschienen ihm riesig und irgendwie unheimlich. Also zupfte, drückte und zog er nach Leibeskräften, was die dralle Bärbel mit einem launigen Muhen und dem Austreten mit den Hinterläufen kommentierte. Mit seinen 1,24 Litern Milch belegte Friedhelm den letzten Platz, doch das dämpfte seine gute Laune keineswegs.
    »Kein Wunder, dass der keine Frau abbekommt. Beim Geldzählen ist er Weltmeister, aber die Euter einer Kuh behandelt er wie einen Punchingball.« Hubertus lehnte wie ein Cowboy mit verschränkten Armen an dem Gatter und hatte einen Fuß zum Abstützen auf einer Sprosse abgestellt.
    »Wie war ich?« Friedhelm stapfte mit ausgeliehenen Gummistiefeln auf sie zu. Dabei schwenkte er den Melkeimer wie eine Trophäe in der Luft.
    »Kauf dir einen Bauernhof, und ich heirate dich, mein Held«, sagte Albertine, die den Mel-Gibson-Doppelgänger erst einmal vergessen hatte.
    »Kein Problem.« Friedhelm stolperte auf dem aufgeweichten Feld auf Bauer Strunk zu und wollte ihm schon einen Scheck ausstellen. Doch Strunk zeigte ihm nur den Vogel, schließlich war der Hof seit vier Generationen in Familienbesitz.
    Die nächste Aufgabe klang zumindest einfach. Mit einem Schubkarren galt es, so viel Heu wie möglich auf einem Hindernis-Parcours ins Ziel zu befördern. Friedhelm hatte sich vier Ballen auf die Karre geladen und verlor schon im Slalom einen davon. Den kurzen Weg über eine Wippe absolvierte er ohne Verlust, doch die letzten Meter durch extratiefen Schlamm zehrten an seinen Kräften. Keuchend fiel er über die Ziellinie und wurde von den Strohballen begraben, die von seiner Schubkarre rollten. Immerhin hatte er Platz drei geschafft, dafür sah er jetzt wie

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