EROBERT VON EINEM ITALIENISCHEN GRAFEN
nicht nur in London. Vermutlich bleiben Sie eher Paolos wegen dort?“
Plötzlich sehnte Laura sich danach, Alessio die Wahrheit zu sagen. Ihm zu gestehen, dass sie bei der PR-Firma angestellt war, zu deren Kunden seine Bank zählte. Dass Laura in der Bar nur nebenbei arbeitete und Paolo sie angeheuert hatte, seine Geliebte zu spielen. Nur um Signora Vicente zu beweisen, er denke nicht daran, Beatrice Manzone zu heiraten. Doch Laura hatte Paolo versprochen, nichts zu verraten.
„Ja, und außerdem bin ich dabei, mir mit einer Freundin eine Wohnung zu suchen, weil wir die schäbigen Untermietzimmer leid sind“, erklärte Laura ausweichend.
„Ist Paolo mit dem Plan einverstanden?“ Alessio ließ den Finger über die warmen Steine der Balustrade gleiten. „Möchte er nicht, dass Sie mit ihm zusammenziehen?“
„Na ja, vielleicht später. Ich weiß noch nicht.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Es ist noch viel zu früh für eine so weitreichende Entscheidung.“
„Ihr Urlaub hier könnte jedoch der erste Schritt in diese Richtung sein?“ Er klang plötzlich seltsam schroff. „Arme Laura, wie grausam von mir, Sie in einem eigenen Zimmer untergebracht zu haben!“
Sie rang sich ein Lächeln ab. „Andernfalls hätte Paolos Mutter bestimmt einen hysterischen Anfall bekommen – und ich vielleicht auch die Erkältung.“
Um seine Mundwinkel zuckte es. „Eine praktische Erwägung! Wollen wir jetzt das Essen aussuchen?“
Die junge Frau brachte einen Teller Olivenöl an den Tisch und einen Korb mit frischem Weißbrot. Dazu stellte sie eine Platte mit Parmaschinken und verschiedenen Sorten Würstchen sowie Wildschweinpastete. Als Hauptgang gab es gebratenes Hühnchen, das so zart, saftig und aromatisch war, wie Laura es noch nie bekommen hatte. Sie tranken rauchigen Rotwein dazu, der aus dem eigenen Weingarten stammte.
Das Angebot von Käse oder einer Süßspeise lehnte Laura dankend ab.
„Wenn ich weiter so esse, muss ich beim Rückflug für Übergewicht bezahlen“, meinte sie und lachte.
„Etwas mehr Gewicht würde Ihnen nicht schaden.“ Alessio betrachtete sie über den Rand seines Weinglases hinweg. „Ein Mann hat gern etwas im Arm, wenn Sie verstehen. Hat Paolo Ihnen das nie gesagt?“
„Nicht so direkt!“ Sie blickte auf den Tisch. „Und in London ist schlank nun mal Mode.“
Die Erwähnung Paolos holte Laura schlagartig auf den Boden der Tatsachen zurück. Bisher hatte sie sich hier hoch oben über dem Tal richtig euphorisch gefühlt, als brauche sie nur die Hand auszustrecken und könne den Himmel berühren.
Und das lag, wie ihr vollkommen klar war, an Alessio. Er hatte die Gabe, sie alles vergessen zu lassen, sogar den wahren Grund ihres Aufenthalts in Italien.
Wie dumm von ihr, sich nach etwas zu sehnen, das sie nie würde haben können! Es trennte sie so viel von Alessio, unddas durfte sie auf keinen Fall vergessen!
Ich bin nur wie ein winziger Planet, der um eine strahlende Sonne kreist und in Flammen aufgehen würde, wenn er aus der Bahn gerät, dachte sie traurig.
„Laura, Sie sind ja in Gedanken meilenweit entfernt und gar nicht mehr bei mir!“, Alessio betrachtete sie fragend. „Wann, o Madonna, wirst du deinen Schleier fallen lassen, den du bei Sonne trägst und Schatten?“
„Wie bitte?“ Verblüfft sah sie auf. „Das verstehe ich nicht.“
„Das ist ein Zitat unseres großen italienischen Dichters Petrarca aus einem seiner Sonette an Laura. Es schien mir zu passen. Die Übersetzung stammt übrigens von mir.“
„Sie überraschen mich“, erklärte sie, um einen leichten Ton bemüht. „Ich hätte nie erwartet, Sie Gedichte zitieren zu hören.“
Alessio zuckte die Schultern. „Sie können doch bestimmt die ein oder andere Zeile von Shakespeare zitieren, oder? Glauben Sie, ich sei weniger gebildet?“
„Nein, natürlich nicht!“, sagte sie schnell. „Tut mir leid. Wir sind ja Fremde, da dürfte ich überhaupt keine Vermutungen über Sie anstellen.“
„Nein? Und umgekehrt? Manchmal scheinen Sie sich – wie Ihre Namensvetterin im Gedicht – hinter einem Schleier zu verbergen, und dann weiß ich nicht, was Sie denken.“
„Zum Glück!“ Laura versuchte zu lachen.
„Deshalb frage ich jetzt direkt, bella mia: Was verbergen Sie?“
Sie verkrampfte die Finger im Schoß. „Ich? Sie besitzen nicht nur Bildung, signore, sondern anscheinend auch eine blühende Fantasie.“
„Und Sie, Laura, wollen mich … immer noch nicht Alessio nennen!“
„Das ist
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