Erregende Ermittlungen
der Kimber. Für einen kurzen Augenblick spürte Megan den grausamen Impuls, den langen Lauf auf seine Stirn zu richten und mit einer knappen Fingerbewegung am Abzug das laute, metallische „Klack“ einer leeren Kammer zu erzeugen. Nur um zu sehen, wie er panisch zurückfahren und ihm die hübschen Augen aus dem Kopf treten würden. Wäre das ein Problem für dich, Grünschnabel?
„Was ist mit dir?“ fragte John nun. „Erzählst du mir auch etwas über dich?“
„Ich denke nicht…“
Sie unterbrach sich selbst und nahm sich einige Sekunden Zeit, indem sie die Pistole sorgfältig wegstaute und ihre Tasse austrank. Sie hatte das Spiel angefangen, also war sie ihm auch eine Antwort schuldig. Schließlich war sie nun auch seine Partnerin in diesem Unterfangen.
„Meine Familie stammt aus einem kleinen Nest bei Winnemucca in Nevada. Schon mein Vater war ein Cop, deshalb sind wir auch nach Kalifornien gezogen – hier werden die besten Gehälter für Polizisten bezahlt.“ Sie stieß verächtlich die Luft durch die Nase. „Mein Salär ist ja schon bescheiden genug – du siehst ja hier, welchen aufwendigen Lebensstil ich damit treiben kann. Aber wenn ich höre, was die Kollegen drüben an der Ostküste verdienen, dann wundere ich mich nur darüber, dass nicht alle völlig korrupt sind, sondern dass es auch noch ehrliche Cops gibt.“
John nickte folgsam. Anscheinend war die Gehaltsstruktur der US-amerikanischen Polizeidienstkräfte kein Thema, über das er schon einmal nachdenken musste.
„Bist du wegen deinem Vater zur Polizei gegangen?“, hakte er nach. Seine Stimme klang angenehm. Interessiert. Anteilnehmend.
„Nein. Oder doch, indirekt vielleicht“, fuhr Megan fort und kicherte humorlos. „Dad wollte immer, dass ich was „Vernünftiges“ mache. Bei einer Bank oder einer Versicherung oder so etwas. Und meine Mutter wollte unbedingt, dass ich Tänzerin werde. Sie hatte das auch mal vor, konnte es aber nie verwirklichen. Stattdessen hat mein Vater sie bei einer Überschwemmung vor dem Hochwasser gerettet, sie hat sich dem strahlenden jungen Helden hingegeben, er hat sie dabei geschwängert, und sie haben geheiratet.“
„Du klingst… ein wenig bitter“, stellte er fest. Seine warmen braunen Augen musterten sie aufmerksam.
„Ach was“, seufzte sie. „Das ist lange her. Alte Geschichten. Nach der Schule hatte mich meine Mutter tatsächlich so weit, dass ich eine Tanzausbildung beginnen wollte. Aber dann wurde mein Vater auf einer Streife erschossen.“ Sie schluckte. Die altvertraute Trauer hatte nach all den Jahren immer noch die Macht, ihr die Kehle zuzudrücken. „Damit kam ich nicht zurecht. Mit der Lücke, die er hinterließ, meine ich. Vermutlich habe ich deshalb dann einen anderen Cop geheiratet.“
„Du warst verheiratet?“
Das schien ihn deutlich mehr zu interessieren als die Frage des Alters.
„Zwei Jahre. Aber das war ein gewaltiger Fehler. Spike war… gewalttätig. Auch zu mir.“
John sah sie an und schwieg. Dann fragte er langsam: „Du hast eine Narbe am Bauch, gleich unterhalb vom Nabel. Ist das…?“
„Nein. Da hat mich vor ein paar Jahren so ein Arschloch aus Bogotá bei einer netten Schießerei nach einer Drogenrazzia erwischt.“ Sie schauderte kurz, als ihre Bauchmuskeln sich unwillkürlich anspannten. Die Erinnerung an den weißglühenden, unmenschlichen Schmerz in ihrer Mitte, an die hektischen Schreie der Kollegen, die hämmernden Salven aus den automatischen Waffen, das Klirren des auf die Straße regnenden Fensterglases und das unwirkliche Gefühl des Asphalts unter ihrem Hinterkopf ließen Johns Gesicht für einen Moment vor ihr flimmern wie eine Fata Morgana. Sie riss sich zusammen und atmete tief durch.
„Von Spike habe ich das hier.“
Megan beugte sich vor und zog die dunklen Haare über dem linken Ohr auseinander, zeigte ihm den wulstigen Rand, der in blassem Rot über ihre Kopfhaut lief, bis fast zum Nacken nach hinten.
„Das war die Kante des Küchentischs“, erläuterte sie im Gesprächston. „Spike war wütend, weil ich mit dem neu eingezogenen Nachbarn einen Kaffee getrunken habe, während er bei der Arbeit war. Meinte, ich wäre im Nachthemd herumgelaufen, um den Nachbarn zu verführen. Er flippte aus, als ich es wagte, ihm zu widersprechen.“
„Mein Gott“, flüsterte John mit geweiteten Augen. „Das… das tut mir leid.“
Wie hypnotisiert streckte er eine Hand aus und fuhr ganz sacht über die Narbe, die sie ihm immer noch
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