Erste Male
ich war doch geschockt, sonst keinen einzigen Preis zu kriegen. Von schwächeren Hirnen abgehängt. Und zum allerersten Mal hat mich Len Levy im Gesamtnotenschnitt mit 99,02 Prozent vom ersten Platz verdrängt. Meine nicht ganz so glänzende Vorstellung bei den Abschlusstests (die alle während der Marcus-Nummer stattfanden) hat meinen Schnitt auf 97,98 Prozent sinken lassen. Zwei Prozentpunkte runter in weniger als einem Halbjahr. Klingt zwar nicht so viel, ist es aber.
Ich lasse nach.
Hy ist noch nicht lange genug da, um irgendwelche Preise zu kriegen. Aber sie kam auf mich zu und gratulierte mir, als ich meine abholte. Ich bedankte mich und überlegte,ob sie mich wohl immer noch für so klug hielt wie die Mädels an ihrer Privatschule.
Dann machte sie den Mund auf, als ob sie was sagen wollte, überlegte es sich aber anders. Komisch, sonst sagt sie doch immer, was sie denkt.
»Was?«, fragte ich nach.
»Schwester«, sagte sie, »nimm nichts von dem persönlich, was ich tue.«
Was für ein abgedrehter Satz, so aus dem Nichts. Eigentlich wollte ich irgendwas Schlagfertiges antworten, um Hy runterzumachen und ein bisschen von meiner unterdrückten Abneigung rauszulassen. Aber die ganze Sache mit Marcus hatte mich so mitgenommen, dass es mir im Grunde völlig egal war.
»Kein Thema, Hy«, sagte ich – verwendete ihren eigenen Ausdruck gegen sie. »Kein Thema.«
Als ich nach Hause kam, schmiss ich meine wenig beeindruckenden Preise in die Ecke zu den anderen. Sie sind inzwischen so selbstverständlich, dass meine Eltern sie nicht mal mehr sehen wollen, geschweige denn großes Theater darum machen.
Dann schlief ich fünf Minuten. Lange genug, um von einem Origami-Mund zu träumen, der mich verschlucken wollte.
FÜNFUNDZWANZIGSTER
DER GROSSE TAG.
Bethany heißt nicht mehr Miss Bethany Shannon Darling. Sondern Mrs Grant Doczylkowski – einen schlimmeren neuen Namen kann man sich ja wohl kaum vorstellen.
Meine erste Pflicht am Großen Tag war es, Bethanys Schleppe in anständige Falten zu legen und ihren Schleier hochzuhalten, der so lang war wie die ganze Kirche. Meine zweite Pflicht bestand darin, ihr zu sagen, wie wunderschön sie aussah. Sah sie natürlich auch. Aber es nervte ziemlich, ihr das ständig bestätigen zu müssen.
»Wie sieht mein Make-up aus? Nicht zu dick, oder? Ich will ja Grant nicht verschrecken, wenn ich durch die Kirche laufe.«
»Sieht wunderschön aus.«
»Und wie sieht mein Kleid aus? Doch nicht zu eng? Ich will ja nicht wie ein Walross aussehen, wenn ich durch die Kirche laufe.«
»Sieht wunderschön aus.«
»Und wie sieht meine Frisur aus? Zu aufgeplustert? Ich will ja nicht so nach New Jersey aussehen, wenn ich durch die Kirche laufe.«
»Der Pony sieht wirklich ein bisschen prollig aus.«
»WAS?!«
»Ich mach bloß Witze. Ehrlich. Sieht wunderschön aus.«
Bis zum Erbrechen.
Das gesamte Universum wird bei Hochzeiten so komplett gaga, dass ich schon damit rechnete, selbst von Sentimentalität überwältigt zu werden und womöglich loszuheulen. Aber nichts passierte. Bethanys und G-Moneys Ehebund ließ mich gänzlich unberührt.
Hier meine Erinnerungen an die Zeremonie: Ich hatte die ganze Zeit die Arme fest über der Brust verschränkt, um mich in der von leistungsstarken Klimaanlagen eisgekühlten Kirche warm zu halten. Der Sonnenuntergang hinter den bunten Fenstern verwandelte das Gelb ( »Mais!« ) meines Kleides in eine Art Batikmuster. Mein schulterfreier BH drücktemir den Kreislauf ab, und ich konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass er bestimmt das Wachstum meiner Brüste beeinträchtigte.
Aber so richtig in Fahrt kam die Sache erst bei der Feier.
Als Trauzeugin der Braut und zweifelhafte Brautjungfer wurde ich automatisch für den ganzen Tag dem Trauzeugen des Bräutigams zugeordnet. Wir schritten zusammen durch den Mittelgang der Kirche. Wir standen bei den Fotos nebeneinander. Wir gingen zusammen zur Feier.
Die schlechte Nachricht: G-Moneys Trauzeuge Tad ist dreißig und sieht aus wie eine aufgedunsene Seekuh.
Die bessere Nachricht: Tad stellte mich seinem neunzehnjährigen Bruder Cal vor. Cal sieht ganz lecker aus, auf so eine saubere, entspannt sportliche Art.
Die beste Nachricht: Cal ist ein Computergenie, der seine Eltern ziemlich geärgert hat, als er sein Studium am MIT abgebrochen hat, um Berater für eine aufstrebende Software-Firma zu werden.
Die Super-Duper-Mega-Nachricht: Als Cal mir die Hand schüttelte, sagte er: »Ich hab meinem
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