Erste Male
Verhütung besser aufgepasst und damit eine »wundervolle Überraschung« wie mich verhindert. Das lässt sich direkt aus den Worten meiner Mutter ablesen, die drei oder mehr Kinder in einer Familie als »Wurf« bezeichnet. Ich bin also irgendwie dankbar, dass Matthew gestorben ist, und das istrichtig böse. Dafür käme ich in die Hölle, wenn ich daran glaubte.
Im Moment habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich lebe. Wieso? Weil ich mein Leben vergeude. Mir ist das Leben geschenkt worden, und ich verschmolle und vergrüble es bloß.
Und noch schlimmer: Ich weiß ganz genau, wie lächerlich ich mich benehme. Alles wäre viel leichter, wenn ich mich für den Mittelpunkt des Universums hielte – dann könnte ich eben nicht anders als alles furchtbar wichtig nehmen. Aber ich weiß, wie winzig meine Problemchen sind, kann aber trotzdem nicht aufhören, auf ihnen herumzureiten.
Das muss aufhören.
Wie werden andere Menschen glücklich? Ich sehe Leute lächeln, lachen, sich amüsieren, und versuche, ihnen in die Köpfe zu gucken. Wie schaffen Bridget, Manda und Sara das? Oder Pepe? Jeder Mensch außer mir?
Warum belastet mich alles, was ich sehe? Wieso kann ich über die täglichen Ungerechtigkeiten nicht einfach hinwegsehen? Warum kann ich nicht einfach das Beste aus dem machen, was ich habe?
Wenn ich das nur wüsste.
ACHTZEHNTER
Die letzte Nacht war eine Katastrophe.
Eine Katastrophe kosmischen Ausmaßes.
Ich schreibe nur deshalb davon, weil ich die Ereignisse rein historisch betrachtet wichtig finde. Meine Nachfahren sollen wissen, welches Ereignis die letzte Schnalle meiner Zwangsjacke geschlossen hat.
Ungefähr in der Mitte meiner Schicht rannte Manda, so schnell sie auf ihren Plateau-Sandalen konnte, auf meinen Eisstand zu.
»Kannst du heute Abend mit irgendwem anders nach Hause fahren?«
»Nein. Wieso?«
»Na ja, an der Carteret Avenue steigt heute eine Riesenparty.«
»Und?«
» Uuuuund … «, wiederholte sie extra langsam, als ob mein Englisch schlechter wäre als Woodys, »… wir wollen hin.«
»Und wir sind …?«
»Ich«, sagte sie.
»Und?«
»Sara.«
»Und?«
»Burke.«
»Und ihr seid nicht drauf gekommen, dass ich vielleicht auch mitwill?«
»Also bitte , Jess«, sagte sie. »Du willst doch nie irgendwohin.«
Da hatte sie Recht. Ich will nie irgendwohin. Den ganzen Sommer habe ich es vermieden, irgendwohin zu gehen, und hat es mich glücklicher gemacht? Nein, ich war so depressiv wie nie. Vielleicht würde mir ein bisschen Ausschweifung ganz guttun – der gute alte hirnlose Exzess. Flüssiges Schmiermittel war womöglich genau das Richtige für meine festgefressenen Gedankenschrauben. Ich war so verspannt, ich musste mal ein bisschen leben.
»Ich will mit.«
Manda sah mich ausdruckslos an.
»Zur Party«, sagte ich. »Ich will mit zur Party.«
Manda hatte anscheinend noch nie was Witzigeres gehört. Sie krümmte sich buchstäblich vor Lachen und klatschte sich auf die Schenkel, wobei Woody und seine ungarischen Kumpel einen prächtigen Blick in ihren Ausschnitt werfen konnten.
»Bist du schon vergeben?«, fragte Woody Manda.
Sie hörte auf zu kichern und fing an zu würgen. Ich ignorierte ihn einfach.
»Ich rufe meine Eltern an und sage, dass ich bei Sara übernachte«, erklärte ich. »Die freuen sich tot, wenn ich mal was mit anderen unternehme.«
»Meinst du das ernst?«, fragte sie, als ob ich gerade meine Seele verkaufen wollte – was der Wahrheit, wie sich herausstellte, ziemlich nahe kam.
»Klar«, sagte ich. »Ich bin reif für eine Paaar-die !«
Nach der Arbeit (oder in Saras Fall nach dem Nichtstun) fuhr uns Burke zu dem Strandabschnitt, wo die Festivität stattfand. Wir kamen gegen Mitternacht an. Die Fiesta war eindeutig noch in der Aufwärmphase, denn die Zahl der im Sand verstreuten Bierdosen und Leute war ungefähr gleich. Außerdem herrschte noch Geschlechtertrennung. Kichernde Mädchen klumpten zusammen und klammerten sich an Plastikbecher und Bierdosen, die ihnen Vertreter des männlichen Geschlechts besorgt hatten, um ihnen später an die Wäsche zu können. Jungs standen rudelweise herum, boxten sich gegenseitig auf die Arme und zeigten auf die Mädchen, denen sie später an die Wäsche wollten. Wir sind zwar schon auf der Highschool, aber solange wir nicht betrunken sind, sehen solche Partys aus wie Kindergeburtstage – Jungs und Mädchen brav getrennt. Aber wenn die Geschlechter sich dann mischen, geht es richtig zur Sache.
Der
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