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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Ich will auch weiter nichts ausplaudern, aber so viel weiß ich, er wird nicht der Letzte sein, der heute sein Billet vom Comptoir holt.
    – Ach! die stürmische, feurige Jugend! rief der Bürgermeister in der Erinnerung an die eigene Vergangenheit lächelnd. Ja, ja, wir sind auch einmal jung gewesen, mein lieber Rath. Wir haben auch geliebt und zu unserer Zeit Queue gemacht. Auf heute Abend also, auf heute Abend!
A propos
, haben Sie auch gehört, daß dieser Fioravanti ein so großer Künstler sein soll? Was für eine würdige Aufnahme hat man ihm in unseren Mauern zu Theil werden lassen! Er wird den Beifall der Quiquendonianer so leicht nicht vergessen!«
    Es handelte sich wirklich um den berühmten Tenoristen Fioravanti, der durch sein Genie, sein ausgezeichnetes Spiel und seine herrliche, sympathische Stimme bei den Musikliebhabern der Stadt einen förmlichen Enthusiasmus hervorgerufen hatte.
    Seit drei Wochen hatte Fioravanti sich ungeheure Erfolge in den »Hugenotten« errungen. Der erste Act war nach dem Geschmack der Quiquendonianer im Zeitraum eines ganzen Abends aufgeführt worden, und zwar in der ersten Woche eines Monats. Der Opernabend der zweiten Woche hatte dem Sänger durch seine endlosen, in die Länge gezogenen Andantes eine entschiedene Ovation eingetragen, und dieser Erfolg war nur noch gestiegen, als in der dritten Woche der dritte Act des Meyerbeer’schen Kunstwerks zur Darstellung gelangte. Heute aber sollte Fioravanti im vierten Act auftreten, und vor einem ungeduldigen Publicum spielen. Ach! das Duett Raoul’s und Valentinen’s, dieser zweistimmige Liebeshymnus in langgezogenen Seufzern, diese Stretta 1 , in der die Crescendo , die Stringendo , die Accelerando , die Piucres cendo sich folgten – all das langsam, compendiös, in getragenen Tönen gesungen! wie reizend!
    Um vier Uhr war der Saal mit Zuschauern gefüllt, und Logen, Parterre und Orchester gedrängt voll. In den vorderen Reihen präsentiren sich der Herr Bürgermeister van Tricasse, Frau van Tricasse, Fräulein Suzel und die liebenswürdige Tatanémance in einer Haube mit apfelgrünen Schleifen; dann, nicht weit davon erblickte man den Rath Niklausse nebst Familie, den liebeglühenden Frantz nicht zu vergessen. Auch die Familien des Arztes Custos, des Advocaten Schut, des großen Richters Honoré Syntax waren vertreten, und an weiteren Notabilitäten der Stadt bemerkte man den Director der Versicherungsgesellschaft Norbert Soutman , den dicken Banquier Collaert, der für deutsche Musik schwärmte und sich selbst für eine Art Virtuosen hielt, den Steuereinnehmer Rupp, den Director der Akademie, Jérôme Resh, den Civilcommissar, und noch so viele andere, daß wir die Geduld unserer Leser in unverantwortlicher Weise auf die Probe stellen würden, wollten wir sie alle hier noch weiter aufzählen.
    Gewöhnlich verhielten sich die Quiquendonianer, bis der Vorhang aufging, außerordentlich schweigsam und ruhig. Hier zog einer seine Zeitung hervor und vertiefte sich in ihre Lectüre, dort wurden mit flüsternder Stimme einige Worte ausgetauscht, die Ankommenden begaben sich so leise wie irgend thunlich auf ihre Plätze, und ab und zu richtete die männliche Jugend von Quiquendone ihre matten halb erloschenen Blicke nach den Schönheiten auf der Galerie.
    An diesem Abend aber hätte jeder Beobachter constatiren können, daß schon, ehe der Vorhang aufgezogen war, eine ganz ungewöhnliche Lebhaftigkeit im Zuschauerraume herrschte, Leute, die sich sonst niemals rührten, drehten und wendeten sich hin und her, die Fächer der Damen bewegten sich mit anormaler Geschwindigkeit, und es schien eine lebensvollere Luft zu wehen, denn alle Anwesenden athmeten in tieferen Zügen.
    In manchen Augen bemerkte man einen Glanz, der fast so intensiv war, wie das Licht des Kronleuchters, der über dem Saale hing, und dessen Kerzen heute ungewöhnlich hell strahlten, obgleich ihre Zahl nicht vermehrt worden war. Ach wären heute schon die neuen Apparate des Herrn Doctor Ox in Thätigkeit gewesen! Aber dieser ersehnte Zeitpunkt war noch nicht herangekommen.
    Endlich ist das Orchester vollzählig auf seinem Posten. Die erste Geige steht zwischen den Pulten, um ihren Colleginnen ein bescheidenes
a
anzugeben; die Streich-, Blas-und Schlaginstrumente sind gestimmt, und der Dirigent wartet nur noch auf den Klang des Glöckchens, um anzufangen.
    Das Signal erschallt und der vierte Act beginnt. Das Allegro appassionato des Zwischenactes wird, wie

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