ES: Eine Villa wird zur Leichenhalle (German Edition)
wenn sie ihn jetzt sehen könnte? Gibt es wirklich einen Gott? Gregory wurde sehr nachdenklich. Vieles um ihn herum war fremd und extrem gewöhnungsbedürftig. Wie lange würde man noch nach ihm suchen? Vielleicht sollte er sich einen Bart stehen lassen? Aber das änderte lediglich sein Äußeres und nicht seinen Namen. Er würde neue Papiere brauchen. Dann könnte er gehen. Aber wohin bloß? Ins Ausland womöglich? Er hatte alles aufgegeben, alles verlassen, alle Zelte abgebrochen. Alles was übrig blieb, passte nun in eine Reisetasche. Ein tolles Leben hatte er sich mit Sophie aufgebaut. Beneidenswert glücklich waren beide. Unbesorgt und ausgelassen, wie spielende Kinder bei einer Kissenschlacht fing jeder Tag bei ihnen an. Sophie war Fotografin und er war Industriedesigner. Mit den Jahren spezialisierte er sich auf das Kreieren und Finden von Produktnamen und ließ sich diesen Job gut bezahlen. Die Butlergeschichte fand schon vor halben Ewigkeiten statt. Eigentlich handelte es sich dabei um eine verlorene Wette. Alternativ hätte er auch damals ein Jahr lang bei den Yanomami (Indianer im Amazonasgebiet) leben müssen. Gregory entschied sich dann doch lieber für eine Lehre zum Butler in London.
„Man weiß nie wofür man es mal braucht“, sagte er seinerzeit noch scherzhaft und weiß es jetzt haargenau. Warum musste Sophie an diesem Tag zur Bank? Eigentlich wäre ihre Kollegin dran gewesen. Und warum hat sich dieses Arschloch von Bankräuber gerade diese Filiale ausgesucht, wo doch jedes Kind mittlerweile weiß, dass Banken nicht mehr derart große Beträge vorrätig haben. Immer und immer wieder dachte Gregory über diesen Tag nach und über den Frust, den der Räuber wahrscheinlich gehabt haben musste. Warum sonst hätte er Sophie völlig grundlos erschossen? Es machte ihn jedesmal völlig fertig. Er hatte sich das Leben mit Sophie so wundervoll vorgestellt und alles begann so perfekt. So leicht, so spielerisch und alles machte riesigen Spaß mit ihr. Bis zu diesem Tage, als Sophie für immer ging und Gregory zurückließ. Einsam war sein Herz. Wütend wurde er nur, wenn er an diesen Tag dachte und dann hätte er seine Wut in den Himmel schreien können. Es hätte ihn womöglich für einen Moment befreit, aber es hätte nichts geändert. Es hätte Sophie nicht mehr zurückgebracht. Und auch später im Justizpalast. Er war nicht Herr seiner Sinne. Wütend war er, wie ein Wildpferd in einem Gatter, dass auszubrechen versucht. Er wollte nicht ausbrechen, er wollte lediglich Sophies Tod rächen, als er den Mörder seiner Frau vor allen Augen erschoss.
Man führte ihn mit Handschellen rein, er leugnete und plädierte auf ‚unschuldig’ und Gregory schoss. Er schoss das ganze Magazin leer und selbst als es leer war, klickte der Abzugshahn immer noch. Noch ehe irgendjemand die Situation realisierte, rannte Gregory aus dem Justizpalast und musste sich seither verstecken. Er hob sein gesamtes Geld ab, stopfte ein paar Sachen in eine Reisetasche und ist seitdem auf der Flucht. Mal wohnt er bei diesem Freund einige Tage, mal übernachtet er bei jenem Freund ebenfalls ein paar Tage. Jeder seiner Freunde ist informiert. Es stand in jeder Zeitung und es kam in den Nachrichten im Fernsehen. Gregory Sebelius war ein gesuchter Verbrecher? Ja schon. Gesucht wurde er allerdings. Aber ein Verbrecher war er auf gar keinen Fall. Er war ein herzensguter und liebenswürdiger Mensch mit einem scheinbar stets lachenden Gesicht.
Und jetzt war er nur noch ‚Es’. Dafür jedoch in Sicherheit. Hier wird ihn niemand suchen. Nichts lässt vermuten, dass er hier ist. Nachbarschaftliches über-den-Zaun-gucken gibt’s hier nicht. Hier interessiert sich niemand für die Belange eines anderen. Hier wohnen Ich-Menschen. „Manchmal ist es von Vorteil“, dachte Gregory und nickte selbstbestätigend. Sophie hätte nächste Woche Geburtstag und würde… Gregory weinte. Er musste an etwas anderes denken, sich ablenken, aber was und womit. Noch nicht einmal ein Fernseher stand zur Ablenkung parat.
Gregory bemerkte, dass sich im ganzen Schlafzimmer nicht eine einzige Steckdose befand und ging ins angrenzende Badezimmer. Dort auch nicht! Er öffnete den Spiegelschrank und sah eine Steckdose. Sofort kramte er seinen Rasierapparat aus der Reisetasche und musste feststellen, dass die Steckdose nicht angeschlossen war. Er ging kopfschüttelnd zurück ins Schlafzimmer, überlegt wie er sich rasieren könne und löschte das Licht im Bad. Plötzlich
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