ES: Eine Villa wird zur Leichenhalle (German Edition)

verlor Jan keine Worte mehr und fuhr los. Gregory stand hilflos wie jemand da, der zwei linke Hände hat. Er konnte nur in die Küche gehen und auf Jans Rückkehr warten. So wie er aussah, konnte er jedoch niemandem begegnen. Er ging nebenan in sein Zimmer und zog sich um. Danach ging er in die Küche, um Jan die Türe zu öffnen. Der Zeiger der Uhr schien sich nicht vom Fleck zu bewegen, kein Geräusch war vernehmbar nur das Rattern einer elektrischen Heckenschere machte sich bemerkbar. „Der Gärtner verpasst den Hecken anscheinend eine neue Frisur“, dachte Gregory. Fast eine volle Stunde verging, bis Jan wieder da war. Wie ein neugieriges Kind wollte Gregory sofort wissen, was in der Tüte war und was Jan für ein komisches Gerät mitbrachte.
„Da ist Gips drin, ’ne Spachtel und Spezial-härter-beschleuniger-dings für große Flächen, oder was der Verkäufer sagte.“
„Aha. Und was beschleunigt das?“ Gregory zeigte auf das Gerät in Jans anderer Hand.
„Das ist ein Ozongenerator, der den Leichengeruch auffrisst. Ham ham ham ham ham ham ham, capice? Morgen Früh, wenn die Ata-Truppe antanzt, ist das Loch weg, der Geruch weg und du hast bis dahin den Rest erledigt.“ Gregory schlug die Hacken zusammen und salutierte wie ein Soldat.
„Auf geht’s“, sagte Jan, griff nach allem und ging voran. „Chot verdomme“, fluchte er und ging zurück.
„Was ist los?“
„Ich brauche einen Topf, um den Gips anzurühren.“ Jan öffnete einen Schrank, bückte sich und nahm den schäbigsten Topf, den er auf die Schnelle finden konnte. „Jetzt aber“, brummte er und ging wieder voran.
„Ganz sicher?“ Gregory hielt sicherheitshalber einen guten Meter Abstand. Wenn Jan sich mit dem Topf in der Hand ruckartig umdreht, könnte Gregorys Unterkiefer dabei Schaden nehmen. Das wollte Gregory natürlich nicht riskieren und gab dem Wort Sicherheitsabstand eine völlig neue Bedeutung. In der Waschküche hatte sich zwischen den beiden so eine Art Routine entwickelt. Gesprochen wurde nur im Notafall. Alles ließ sich mit Zeichensprache erklären.
Vor etlichen von Jahrtausenden, als der Mensch noch nicht sprechen konnte, musste es schließlich auch funktioniert haben. Irgendein Frühsteinzeit’ler teilte seinem Jagdgehilfen per Zeichensprache mit, dass sich viele Büffel hinter dem Hügel befinden und einer davon als Abendessen erlegt werden müsste.
Jan rührte den Gips an, vermengte den Spezialhärter nach Vorgabe auf der Packung darin und benutzte zum Verschließen der Wand wieder die dieselben Brocken, die er vorher ’rausbrach. Da Gregory die Teile geräuschlos und somit sanft ablegte, gestaltete sich die Puzzlearbeit nicht so anstrengend, wie zuvor angenommen. Der Ozongenerator verrichtete seine Arbeit und nur der Ventilator des Geräts entpuppte sich als Geräuschkulisse. Die Gewissheit, dass jeden Augenblick jemand zur Türe hinein kommen könnte, war schon sehr beklemmend und erzeugte auf beide einen gewaltigen Druck. Jan war zwar Koch, aber als Maurer in Sachen Löcher stopfen, wäre er auch zu gebrauchen. Die Wand sah wieder aus wie eh und je. Fast besser als vorher. Gregory holte schnell einen Handfeger und eine Kehrschaufel aus seinem Badezimmer und beseitigte die letzten Spuren des ‚Einbruchs’. Wenn der Ozongenerator nun auch noch über Nacht läuft und den Geruch beseitigt, wären alle Spuren beseitigt. Gregory schien ein wenig traurig zu sein, zumal bei der ganzen Aktion nichts Brauchbaren zutage gefördert wurde. Ein Loch in der Wand, ein fast schon professionell errichteter und abgesicherter Stollen mit ebensolchen Nebengängen und leeren Nischen und sonst nichts. Der Geruch war noch ein Punkt auf Gregorys Bestandsliste. Er war nur penetrant und Morgen früh hoffentlich wieder weg. Jan sprach von Leichengeruch. Aber wo soll Leichengeruch ohne Leichen herkommen und warum roch es nicht schon vorher so? Das Loch in der Wand vom Vortage, brachte keinen derartigen Geruch hervor. Also muss danach etwas geschehen sein und die frischvergipste Wand deutete ebenso darauf hin. Jan war schon wieder in der Küche und bereitete das Abendessen vor. Gregory musste sich ebenfalls sputen, denn der Tisch war noch nicht eingedeckt.
 
    Wie immer erschienen die Herrschaften auf die Sekunde genau zum Abendessen. Gregory trat in gewohnt adretter Form auf und machte seinen Job exzellent. Die Begrüßungszeremonie wurde strickt beibehalten. Irgendetwas schien sich jedoch anders als gewohnt abzubilden. Die