Es geschah in einer Sommernacht
spürte es unter dem zarten Stoff ihres Nachthemds.
Immer noch schmeckte sie ihn, spürte seine Hände an ihrem Gesicht, in ihren Haaren. Und weiter unten, dort wo das Begehren noch wach war.
Das also war Lust.
Mit den Fingern fuhr sie sich über die geschwollenen Lippen und unterdrückte ein fast schon hysterisches Kichern. Marina Lucchesi im Bann der Lust!
Es hatte lang genug gedauert. Nachdem sie sich ihr Leben lang um ihre Familie gekümmert und immer nur gearbeitet hatte, war sie schließlich denVerführungskünsten eines außergewöhnlichen Mannes erlegen. Und was für eines Mannes!
Wenn die Situation nicht so furchtbar gewesen wäre, hätte sie laut lachen müssen. Entweder lachen oder weinen.
Wie hatte sie dem Begehren nur so schnell nachgeben können? Es war ja lächerlich. Aber auf diesen Sturm der Gefühle, auf diese Sehnsucht war sie nicht vorbereitet gewesen. Sie konnte nur hoffen, dass Ronan ihrVerhalten auf die körperliche Erschöpfung zurückführte.
Besser, er glaubte, sie sei nicht ganz sie selbst gewesen, als dass er ihre Reaktion auf seine unglaubliche Attraktivität zurückführte. Vermutlich war er es gewohnt, dass die Frauen in seiner Gegenwart reihenweise dahinschmolzen. Er konnte mit Sicherheit jede haben, die er wollte. Er musste sich nicht mit der Erstbesten begnügen … nicht mit jemandem wie ihr.
Wahrscheinlich hatte er sie nur aus Neugier geküsst. Oder schlimmer: aus Mitleid.
Marina blinzelte, um die Tränen zurückzudrängen, die ihr in die Augen schossen. Es waren Tränen der Scham. Sie hatte sich ja komplett zum Idioten gemacht!
Blöde, blöde, blöde Kuh!
Wenigstens war er so anständig gewesen aufzuhören, als sie ihn darum bat. Er war sofort zurückgewichen, als sie in seinen Armen erstarrte. Wenn er einfach weitergemacht hätte, wäre die Episode sicher ganz anders ausgegangen.
Ein heiseres Lachen entfuhr ihr. Oder war es ein Schluchzen?
Wenn sie doch nur denVerstand eingeschaltet hätte, statt sich einfach dem Moment hinzugeben! Wenn sie sich nur nicht von seiner Leidenschaft hätte anstecken lassen!
Sicher dachte Ronan, dass sie ihn aus purem Anstand zurückgewiesen hatte. Dass sie aus Prinzip nicht mit Fremden schlief. Doch wenn das der wahre Grund gewesen wäre – sie hätte sich mit Sicherheit nicht so würdelos gefühlt. Es war nicht der Anstand gewesen. Vielmehr hatte sie plötzlich die schreckliche Angst überkommen, dass er die Narben entdecken könnte, die ihren Oberschenkel entstellten.
Hässliche Narben. Abstoßende Entstellungen. Das waren sie.
Und selbst wenn Ronan Carlisle sie aus Mitleid geküsst hatte: So stark konnte sein Mitleid gar nicht sein, dass ihm diese Entstellungen nichts ausmachten. Der Anblick ihres verletzten Beines musste jeden Mann abschrecken. Besonders einen Mann, der nur die betörendsten und perfektesten Frauen gewohnt war.
Es gab nur einenVorteil an der ganzen Sache: Die Angst, ihre Verletzungen zu zeigen, hatte Marina vor der größten Erniedrigung ihres Lebens bewahrt. Der Erniedrigung, einem so erfahrenen und attraktiven Mann wie Ronan einzugestehen, dass sie mit 24 Jahren immer noch Jungfrau war.
Der nächste Tag begann heiß und sonnig, und doch war es schon spät, als Marina aufstand und frühstückte. Nach einer unruhigen Nacht und mit der verstörenden Erinnerung an Ronan Carlisle im Kopf funktionierte ihr angeschlagener Körper noch weniger als sonst.
Sie konnte den Tag, an dem sie wieder ganz gesund sein würde, kaum erwarten. Der Arzt hatte ihr zwar versichert, dass es bald soweit war – aber für Marina klang das nur wie eine leereVersprechung, um sie aufzumuntern.
Natürlich durfte sie sich nicht beschweren. Andere hatten lange nicht so viel Glück wie sie. Tapfer schluckte sie die Tränen hinunter und begann, ihre Tasche für die Physiotherapie zu packen.
Gerade als sie das Schlafzimmer verließ, klingelte das Telefon.
Wahrscheinlich war es Seb. Marina wollte und konnte ihrem Bruder jetzt nicht sagen, dass Wakefield ihnen keinen Aufschub gab. Und schon gar nicht wollte sie zugeben, dass sie versagt hatte und den Mann so wütend gemacht hatte, dass er sie hinauswerfen ließ. Die Erinnerung an Wakefields kalten, zynischen Blick ließ sie erschaudern.
Seufzend ließ sie die Tasche fallen und schleppte sich in die Küche. Sie musste es hinter sich bringen. Doch genau in dem Moment, da sie den Hörer aufnehmen wollte, sprang der Anrufbeantworter an. Marina erstarrte in ihrer Bewegung, als die tiefe dunkle
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