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Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
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schön, wäre das genauso, als sage man, der Mount Everest sei hoch. Bei ihr funkelte das Blondhaar wie gerade gedroschenes Stroh, die Zähne waren weiß und ebenmäßig, schienen für ihren Mund aber nicht zu groß, und ihr Teint war fehlerlos wie eine Kosmetikwerbung. Sie war ein unglaublich kostbares Gemälde in einem angemessenen Rahmen.
    Und doch … und doch hatte dieses Gemälde etwas Unwirkliches an sich, als handle es sich um die Darstellung einer Madonna ohne Kind oder einer Nonne. Ihre Schönheit strahlte keine Vitalität aus, ihr fehlte der Anflug von Erdhaftigkeit oder Fehlerhaftigkeit, um ihren Liebreiz wirklich zu machen. Sie reichte mir keine Hand, sondern verbeugte sich auf eine Weise, die nur eine Idee weniger distanziert als das Verhalten ihrer Mutter wirkte.
    Ich setzte mich voller Unbehagen auf die Kante eines mit Perlstickerei verzierten Sessels. „Sie müssen uns von Ihren Pillen erzählen, Mr. Weener“, forderte Winifred mich auf.
    „Pillen?“ fragte ich verlegen.
    „Ja, die Dingsdadinger, die Joe für Sie machen wird“, erklärte Constance. Mama stieß einen lauten Trompetenton aus, der mich halb aus dem Sessel hochfahren ließ. „Verdammter Drückeberger!“ rief sie aus und blickte grimmig über mich hinweg.
    „Nicht doch, Mama, dein Blutdruck“, warnte Pauline mit farbloser Stimme.
    Mama fiel in Unbeweglichkeit zurück, und Winifred fuhr fort, als hätte es keine Explosion gegeben. „Sind Sie verheiratet, Mr. Weener?“
    Ich verneinte die Frage.
    „Dann ist das unsere Gelegenheit für Pauline“, entschied Winifred. „Mr. Weener, wie würde es Ihnen gefallen, Pauline zu heiraten?“
    Ich konnte nur unbehaglich lächeln. War das die Art von Unterhaltung, die gewöhnlich in ihrem Kreis geführt wurde, oder waren sie einfach verrückt? Constance erwähnte mit offenkundiger Belanglosigkeit: „Winifred ist so flatterhaft“, und Pauline lächelte mich verständnisvoll an.
    Aber Winifred fuhr fort: „Wir haben schon seit Jahren versucht, Pauline unter die Haube zu bringen, müssen Sie wissen. Sie ist wunderschön anzusehen, aber sie hat kein bißchen Sex-Appeal.“
    Mama schnaubte. „Verdammt unanständig, wenn man’s hat.“
    „Möchten Sie etwas Tee, Mr. Weener?“ fragte Constance.
    „Tee! Für mich sieht er wie ein heimlicher Coca-Cola-Säufer aus! Sind Sie Amerikaner, Mr. Äh?“ fragte Mama heftig und ließ sich damit zum ersten Mal dazu herab, mich anzusprechen.
    „Ich bin in Kalifornien geboren, Mrs. Thario“, versicherte ich ihr.
    „Schade, schade. Verdammt schlimm“, murmelte sie.
    Ich wurde aus meiner beklemmenden Situation teilweise erlöst, als George Thario auftauchte. Er winkte seinen Schwestern zu und küßte seine Mutter auf die Stirn. „Meine Ehrerbietung, Mama“, begrüßte er sie.
    „Verdammte Heuchelei. Hättest du so etwas wie Ehre, wärst du in der Armee!“
    „Dein Blutdruck“, warnte Constance.
    „Haben sie Ihnen die Stimmung völlig verdorben, Mr. Weener? Machen Sie sich nichts daraus – bis auf den alten Herrn haben alle Tharios einen kleinen Schaden. Das Blut ist durch zu viele Verwandtschaftsehen dünn geworden.“
    „Genau wie Inzest“, rief Winifred aus. „Finden Sie Inzest nicht auch faszinierend, Mr. Weener? Eugene O’Neill und all die Sachen?“
    „Krankhaft“, warf Constance ein.
    „Verdammter Unsinn“, maulte Mama.
    „Sahne oder Zitrone, Mr. Weener?“ fragte Constance. Mama, von einem Gastgeberreflex ergriffen, holte sich die Kanne und füllte mürrisch eine Tasse.
    „Sahne, bitte“, erwiderte ich.
    „Sie wird sauer“, murmelte Mama, aber sie goß die Sahne ein und reichte die Tasse Constance, die sie an Pauline weitergab, die sie mir mit einem anmutigen Lächeln servierte.
    „Sie dürfen nicht vergessen, an Pauline zu denken, Mr. Weener; sie wäre Ihnen eine enorme Hilfe, wenn Sie einmal schrecklich reich werden und viele Gesellschaften geben müssen.“
    „Also wirklich, Winifred“, protestierte Constance.
    „Ab ins Armenhaus mit ihm, und dann wären wir ihn endlich los.“
    Ich verbrachte noch eine weitere beklemmende Viertelstunde bei den Tharios, bis ich mich taktvoll zurückziehen konnte. Ich fragte mich, ob ich nicht einen Fehler gemacht hatte, als ich mich überhaupt mit den Tharios einließ. Aber die solide Position General Tharios stand außer Frage, entschied ich, und es war ja schließlich nicht meine Aufgabe, gesellschaftliche Beziehungen zu ihnen zu pflegen, sondern es würde ausreichen, wenn ich

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