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Es muß nicht immer Kaviar sein

Es muß nicht immer Kaviar sein

Titel: Es muß nicht immer Kaviar sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Ihnen.«
    Thomas starrte den mageren, weißhaarigen Menschen an. »War- um tun Sie das?«
    Da antwortete Hellbricht: »Weil ich eingesehen habe, daß in meinem Land furchtbare Verbrechen geschehen sind. Ich bin bereit, zu büßen, Straßen zu bauen, Steine zu klopfen, was Sie wollen. Ich bedauere aufrichtig, dieser verbrecherischen Regierung gedient zu haben. Ich habe an sie geglaubt. Das war falsch. Ich hätte weniger glauben und mehr denken sollen.«
    Thomas stand auf. »Herr Hellbricht, es ist ein Uhr. Bevor wir weiterreden, eine Frage: Wollen Sie mit mir Mittag essen?«
    »Essen? Mit Ihnen? Aber ich sagte Ihnen doch, ich war ein Nazi!«
    »Trotzdem. Weil Sie es so ehrlich sagten.«
    »Dann habe ich eine Bitte – fahren Sie mit mir auf meinen Hof. Ich habe Ihnen nämlich etwas zu zeigen. In der Waldschneise. Hinter meinem Hof«, sagte der ehemalige Kreisbauernführer.
    4
    Eine erbärmliche, dünne Suppe aus Sauerampfer, Kerbel, Löwenzahn und vielen Wiesenkräutern hatte Frau Hellbricht zum Essen vorbereitet. Sie sah so blaß und mager aus wie ihr Mann. Der Hof, den Thomas erblickte, war verkommen, die Fenster eingeschlagen, die Türschlösser zerschossen, die Ställe leer, die Zimmer ausgeplündert von den zwangsverpflichteten Fremdarbeitern.
    »Man kann es ihnen nicht übelnehmen«, sagte Hellbricht mit einem schiefen Lächeln. »Wir haben sie zuerst ausgeplündert, damals, in ihren Ländern …«
    Die Frau des ehemaligen Kreisbauernführers, die vor dem Herd in der kahlen Küche stand, sagte: »Nach der Suppe gibt es Kartoffelpüree und Backobst. Aus der Zuteilung. Es tut mir sehr leid, mehr haben wir nicht.« Thomas ging auf den Hof hinaus und öffnete den Kofferraum seines Wagens. Mit einem halben Pfund Butter, einer Büchse Sahne, einer Büchse Fleischextrakt und einer Büchse Corned beef kehrte er zurück.
    Menu • Baden-Baden, 2. August 1945
    Das kann man auch heute noch essen –
    damals brachte es Thomas Lieven »Bonzen« ein.
     
    Kräutersuppe
    Verzaubertes Corned beef
    Topfen-Speise
    Kräutersuppe:
Man nehme Kräuter wie Sauerampfer, Brennesselspitzen, Schnittlauch, Petersilie, Kerbel, Dill, Sellerieblätter, Lauch, putze und wiege sie fein. – Man dünste einen kleinen Teil davon in heller Buttermehlschwitze, gieße mit Wasser oder Fleischbrühe auf, lasse durchkochen, würze mit Pfeffer, Salz und einer Spur Muskat und gebe die übrigen Kräuter erst direkt vor dem Anrichten hinein. – Man kann die Suppe mit Eigelb und Sahne abziehen, auch pro Person ein Fallei hineingeben und geröstete Weißbrotwürfel darüberstreuen.
    Verzaubertes Corned beef:
Man nehme reichlich Zwiebelringe, dünste sie in Butter glasig, füge den zerzupften Inhalt einer Büchse Corned beef hinzu, lasse einige Minuten weiterschmoren, aber nicht braun braten. Man gebe dann ein nicht zu festes Kartoffelpüree dazu, vermische alles gründlich, schmecke mit Salz und Pfeffer gut ab und lasse das Ganze auf kleiner Flamme zusammen durchziehen und heiß werden.
    Topfen-Speise:
Man nehme Topfen (Quark), passiere ihn durch ein Sieb, verrühre ihn mit Streuzucker nach Geschmack, dann mit süßer Sahne, bis eine glatte, nicht zu flüssige Creme entsteht. – Man mische noch Rosinen und ein paar Tropfen Zitronensaft darunter und fülle sie in eine Schale, die man mit etwas Schlagsahne verziert und gut kalt stellt.
    »Nun lassen Sie mich mal an den Küchentisch, Frau Hellbricht«, sprach er. Und er machte sich sogleich an demselben zu schaffen. Die magere Suppe stärkte er mit Fleischextrakt. Er öffnete die Corned-beef-Dose und zerzupfte das Fleisch darin. Dann entdeckte er eine Schüssel mit Magermilchquark. »Den passieren Sie bitte, Frau Hellbricht«, sagte er. »Mit vereinten Kräften werden wir in Kürze ein prima Mittagessen haben.«
    »Ach Gott«, sagte Frau Hellbricht und begann zu weinen. »Corned beef! Ich habe schon geträumt davon – aber gesehen habe ich es noch nie!«
    Hellbricht sagte: »Und da gibt es auch noch Leute, die höhnisch zusehen, wie andere hungern. Leute, die schuld sind an unserem Elend. Herr Kapitän, ich bin kein Denunziant, aber ich muß es melden: In der Waldschneise ist unter dem Moos ein riesiges Lebensmittellager verbuddelt.«
    »Wer hat das Lager verbuddelt? Und wann?«
    »1944 war das. Im Herbst. Da kam der Adjutant vom Reichsbauernführer Darré zu mir. Und der Gestapo-Chef von Karlsruhe, der Doktor Zimmermann. Sie sagten, sie hätten Vorräte zu vergraben für … für die

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